Landwirtschaft und Tourismus ziehen viel zu wenig an einem Strang. Mit einem effektiveren Einsatz von Marketingmitteln könnten beide Branchen viel gewinnen.

Foto: apa/Barbara Gindl

Wien – Österreichs Tourismus müsse mit der Landwirtschaft besser verzahnt werden, die Werbemittel gehörten gebündelt und gezielter eingesetzt. Andernfalls drohe Österreich im internationalen Vergleich aufgrund des stetig steigenden Drucks durch Mitbewerber ins Hintertreffen zu geraten.

Der das sagt, ist vom Fach: Sepp Schellhorn, selbst Hotelier und Betreiber von Skihütten, dazu jahrelanger Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) und neuerdings Tourismus- und Landwirtschaftssprecher der Neos im Parlament.

Angesichts der eingerosteten Strukturen im Tourismus und in der Landwirtschaft brauche es einen Vorschlaghammer, wie ihn seinerzeit der ehemalige Tiroler Landeshauptmann Herwig van Staa (VP) in die Hand genommen hat. In dessen Amtszeit (2002 bis 2008) wurde die Zahl der Tourismusverbände in Tirol radikal zurückgeschnitten – trotz massiven Widerstands und heftiger Kritik.

Dabei ist die Initialzündung für Zusammenschlüsse schon früher erfolgt – 1996. Damals gab es in Tirol noch 254 Tourismusverbände. Fast jeder größere Ort hat seine touristische Arbeit damals selbstständig erledigt. Als der erste Schwung an Zusammenschlüssen vorbei war und der Fusionsprozess ins Stocken geriet, nahm sich van Staa selbst der Causa an. Die Tourismusverbände unterstehen der Aufsicht der Landesregierung, sie sind Körperschaften öffentlichen Rechts. Seit 2011 gibt es in Tirol nur mehr 34 Verbände.

"Heute wird der Zusammenschluss selbst von jenen gelobt, die damals zu den schärfsten Kritikern gehörten", weiß Schellhorn. Für den streitbaren Neos-Politiker ist das nur ein erster Schritt. "Wahrscheinlich könnte man sich die Tourismusverbände überhaupt sparen und die Landestourismusorganisationen dazu", sagte Schellhorn dem STANDARD. "Wenn man diese zwei Ebenen herausnimmt, wäre viel gewonnen – an Geld und an Schlagkraft." Reibungsflächen würden wegfallen. Die Bewerbung Österreichs als Tourismus- und Genussland könne aus einem Guss erfolgen. Ein Tourismus-Masterplan, der das beinhalte, sei aber weit und breit nicht in Sicht.

Mit der Österreich Werbung (ÖW), den neun Landestourismusorganisationen, etwa 90 Regionen und gut 1600 Destinationen gibt es derzeit rund 1700 Player in der Branche. Jede dieser Organisationen arbeitet selbstständig und verfolgt – je nach Landesgesetz – eigene Ziele. 20 bis 30 der größeren Tourismusorganisationen sind im Ausland aktiv, neben der ÖW. "Weil es keine Abstimmung und Zusammenarbeit gibt, wird viel Geld unnötig verpulvert", sagt Schellhorn

Kannibalisierung

Tourismusorganisationen wie Zillertal oder Ötztal haben eigene Marken entwickelt und bewerben diese separat. Schellhorn: "Die kannibalisieren sich gegenseitig."

Allein im Tourismus stehen österreichweit an die 200 Millionen Euro für Marketing zur Verfügung. Dazu kommen einige 100 Millionen für diverse Landwirtschafts-Initiativen (AMA Gastrosiegel, Genussregionen, kulinarisches Erbe). Durch Vermeidung von Streuverlusten könne mit der gleichen Summe Geld deutlich mehr erreicht werden. Zentralgestirn sei die ÖW, die aber deutlich besser dotiert gehöre. Derzeit stehen Österreichs wichtigster Marketingorganisation 32 Millionen Euro pro Jahr an Basisfinanzierung zur Verfügung. Das Geld kommt zu drei Vierteln vom Bund, ein Viertel schießt die Wirtschaftskammer zu. (Günther Strobl, 15.4.2016)