Was die einen als Maßnahme zur Entlastung der Ambulanzen sehen, ist für die anderen ein gezieltes Vorgehen gegen den Hausarzt. Fix ist: Primärversorgungszentren für Patienten kommen.

Foto: apa/Fohringer

Wien – Rund 64 Prozent der Österreicher, die von Marktforscher Peter Hajek im Auftrag der Ärztekammer im März zu Gesundheitsthemen befragt wurden, wissen nicht, was ein Primary Health Care Center (PHC), sprich ein Primärversorgungszentrum, ist. Daher eine kurze Beschreibung, bevor auf den Entwurf des dazugehörigen Primärversorgungsgesetzes eingegangen wird, der dem Standard in Teilen vorliegt.

Ein Primärversorgungszentrum ist ein Zusammenschluss von mehreren Allgemeinmedizinern und anderen Gesundheitsberufen bei stark erweiterten Öffnungszeiten. Die Regierung verspricht sich davon eine Entlastung der Ambulanzen. An den einzelnen PHC-Zentren will man medizinische Schwerpunkte, beispielsweise bei der Betreuung von Diabetikern, setzen.

So weit, so gut. Die Ärztekammer wehrt sich vor allem dagegen, dass die Sozialversicherung künftig auch Einzelverträge mit den Primärversorgern – sprich den Hausärzten, oder aber auch Kapitalgesellschaften, bei denen Ärzte künftig angestellt werden könnten – abschließen will.

Einer gegen alle

In dem Beamtenentwurf, der dem Standard vorliegt, hat man – neben einer grundsätzlich frei wählbaren Organisationsform – folgende rechtliche Konstruktion gewählt: Neben dem bestehenden Gesamtvertrag, innerhalb dessen Sozialversicherung und Ärztekammer Rahmenbedingungen wie den Stellenplan oder die Honorierung regeln, soll es eine zweite Schiene geben – den Primärversorgungsgesamtvertrag.

Auch der soll zwischen Hauptverband und Ärztekammer abgeschlossen werden, sieht aber "keinen eigenen Stellenplan" für Primärversorgungseinheiten vor. Stattdessen wird der Regionale Strukturplan Gesundheit, der von Bund, Ländern und Sozialversicherung erstellt wird, für die Bedarfsplanung herangezogen.

Wenn der Strukturplan also ein PHC-Zentrum an einem bestimmten Standort vorsieht, soll es laut Entwurf zu folgender Vorgangsweise kommen: Zunächst werden "die örtlich bestehenden Vertragsärzte/-partner" eingeladen, eine neue Primärversorgungseinheit zu gründen. Allerdings: Wenn diese kein Interesse am neuen, gemeinsamen Arbeiten haben, "obwohl im RSG (Regionaler Strukturplan Gesundheit, Anm.) der Bedarf ausgewiesen ist, öffnet sich in einem zweiten Schritt die Interessentensuche auf alle Gesundheitsdiensteanbieter (sic!)".

Verhandlungsrunde am Freitag

Das bedeutet: Kommt es zu keinem Abschluss eines Primärversorgungsgesamtvertrags, kann die Sozialversicherung "Sonder-Einzelverträge" abschließen. Hier verhandelt entweder der einzelne Arzt direkt mit der Kasse, oder die von der Ärztekammer befürchteten Kapitalgesellschaften kommen als Betreiber zum Zug.

Und diese müssten schließlich entsprechende Rendite erzielen, heißt es immer wieder aus der Ärztekammer – zulasten der Qualität in der Patientenversorgung, wird argumentiert. Johannes Steinhart, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, erklärt auf Nachfrage des Standard, den Verhandlern werde "hinter den Kulissen" immer wieder signalisiert, "die Einzelordination ist tot". Die Standesvertretung fürchtet folgendes Szenario: Drei Hausärzte einer Region sollen ein PHC-Zentrum gründen, lehnen dies aber aus unterschiedlichen Gründen ab. Wird das Primärversorgungszentrum trotzdem durchgedrückt, hätten diese drei Hausärzte konkurrenzmäßig keine Chance.

Im Entwurf heißt es weiters, dass ein bestehendes Vertragsverhältnis mit einem PHC-Zentrum kündbar ist, wenn "bestimmte Planungsparameter" (die Rede ist etwa von Industrieabwanderung) keinen "wirtschaftlich ausreichend erfolgreichen" Betrieb rechtfertigen. Diesfalls sollten aber die wirtschaftlichen Folgen für die Ärzte abgefangen werden.

Die nächste Verhandlungsrunde ist für Freitag angesetzt. (Karin Riss, 15.4.2016)