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Sebastian Montalvan, der illegal in den USA lebt, dankt im November 2014 mit anderen "Undocumented" Barack Obama für seine Anordnung per Dekret: Der US-Präsident schützt bis zu fünf Millionen illegale Immigranten vor der Abschiebung und gibt ihnen die Chance, ihr Schattendasein zu verlassen.

Foto: Rich Pedroncelli/AP

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Eine Kundgebung für geflüchtete Familien in Murrieta, Kalifornien im Sommer 2014. In der südkalifornischen Stadt war es zunächst zu Demonstrationen gegen illegale Immigranten aus Zentralamerika gekommen.

Foto: Lucy Nicholson / Reuters

In Kalifornien leben 39 Millionen Menschen, mehrheitlich Hispanics (39 Prozent), 38 Prozent Weiße, 14 Prozent Asiaten und sechs Prozent Afroamerikaner. Fast drei Millionen Immigranten leben hier derzeit noch "undocumented" – wie "sans papiers" ein etwas freundlicherer Begriff als "illegale" Einwanderer. Die meisten von ihnen stammen aus Lateinamerika (79 Prozent), die Mehrheit noch immer aus Mexiko (52 Prozent). Aufgrund des US-Staatsbürgerschaftsrechts gibt es die paradoxe Situation, dass in vielen Familien Kinder, die in den USA geboren wurden, US-Staatsbürger sind, während die Eltern seit langer Zeit ohne Berechtigung im Land leben. Schätzungen gehen davon aus, dass gar 13 Prozent aller kalifornischen Schulkinder zumindest einen Elternteil haben, der illegal in den USA ist.

Lange Erfahrung mit Geflüchteten

Kalifornien hat lange Erfahrung mit legaler und illegaler Migration und Flucht. Nach dem Ende des Vietnamkrieges war das Land Zuflucht für mehr als 130.000 Flüchtlinge aus Vietnam, die vor den Kommunisten flohen, teilweise unter dramatischen Umständen als "Boat People". Viele davon nahmen jetzt Flüchtlinge aus dem Nahen Osten bei sich auf. In den 1980er-Jahren war Kalifornien das Ziel für Flüchtlinge aus Mittelamerika. Die Menschen, die vor den Militärdiktaturen flohen, wurden nicht als politische Flüchtlinge anerkannt, weil die USA ja diese Diktaturen unterstützten. Das führte zu einem großen Anstieg der Zahl der Undocumented. 1986 wurden durch den Immigration Reform and Control Act mit einem Schlag drei Millionen Menschen "legalisiert", damit übrigens auch die Kriminalitätsrate signifikant gesenkt. Auf eine derartig mutige Entscheidung des Kongresses wartet man in Kalifornien auch heute – bislang vergeblich.

Ausländerfeindlichkeit gegenüber Asiaten

Fremdenfeindlichkeit ist in Kalifornien kein Massenphänomen, im Gegenteil: 80 Prozent der Bevölkerung sind für eine möglichst großzügige Einbürgerung der Undocumented. Das heißt nicht, dass es niemals Vorbehalte gab und gibt: Es begann mit tausenden chinesischen Arbeitskräften, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts für den Bau der Central Pacific Railroad ins Land kamen. Die Ausländerfeindlichkeit wurde von den Gewerkschaften geschürt, weil die Arbeitskräfte aus Fernost das im US-Vergleich hohe Lohnniveau in Kalifornien dämpften. Sie erreichte ihren Höhepunkt vor dem Ersten Weltkrieg – aber es gab immer auch starke Gegenstimmen. So ließ Jane Lothrop Stanford, die nach dem Tod ihres Mannes die junge Universität ganz wesentlich mitbestimmte, den Soziologieprofessor Edward A. Ross wegen seiner rassistischen Einstellung feuern. Ihr war sehr wohl bewusst, dass der Wohlstand ihrer Familie und damit der Universität ganz wesentlich auf dem Einsatz der chinesischen Eisenbahnarbeiter beruhte.

Der einwanderungsfreundlichste Bundesstaat

Undocumented hat in Kalifornien sehr wenig zu tun mit illegal in einem europäischen Land. Derzeit schützt US-weit eine Anordnung Barack Obamas sieben bis neun Millionen Menschen vor der Abschiebung. Die gibt es nur mehr für Straffällige. Das könnte sich aber rasch ändern, sollte Donald Trump Präsident werden. Er kündigt Massenabschiebungen an. Der US-Kongress weigert sich beharrlich, die Anordnung Obamas durch entsprechende Gesetze abzusichern. Kalifornien wartet aber nicht darauf, sondern geht einen Sonderweg als einwanderungsfreundlichster US-Bundesstaat: Mit gut einem Dutzend Gesetzen wurden Krankenversicherung, Sozialhilfe und Berufsberechtigungen für die Undocumented geregelt. Sie dürfen hier den Führerschein machen, Unternehmen gründen und als Ärzte und Anwälte arbeiten. Jerry Brown setzte als Gouverneur diese Maßnahmen um, die der Einwanderer Arnold Schwarzenegger jahrelang blockiert hatte.

Der große Unterschied zu Europa

Schon immer waren es in Kalifornien Wirtschaft und Zivilgesellschaft, die vielen starken Stiftungen und NPOs, die enormen politischen Druck aufgebaut haben. Sie sorgen auch für Rechts- und Gründungsberatung, Capacity-Building unter den Immigranten. Mächtige Community-Stiftungen wie die San Francisco Foundation und die Silicon Valley Foundation, die 1990 gegründeten "Grantmakers Concerned with Immigrants and Refugees", Lobbying-Organisationen wie das von Mark Zuckerberg initiierte Forward US ziehen gemeinsam mit unzähligen Serviceeinrichtungen und zivilgesellschaftlichen Initiativen am selben Strang. Es geht um eine offensive und humane Immigrationspolitik. Im Unterschied zu Europa haben hier auch die meisten kapiert, dass Wohlstand und Wachstum dieses stärksten Wirtschaftsraumes der Welt auf Zuwanderung und der gelungenen Integration von Immigranten aus der ganzen Welt beruhen. (21.4.2016)