Demonstranten der Opposition werfen Präsident Ivanov vor, die Regierung vor Ermittlungen im Abhör- und Korruptionsskandal zu schützen.

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Skopje – Mazedoniens Regierung hat am Freitag vorgezogene Neuwahlen für den 5. Juni ausgerufen. Das Votum ist eigentlich Teil eines von der EU ausgehandelten Deals, der helfen soll, nach Abhör- und Korruptionsskandalen die politische Krise im Land gewaltlos zu bewältigen. Allerdings ist nicht klar, ob die Opposition sich noch an den Wahlen beteiligen will. Sie hatte zuletzt einen Boykott angekündigt.

Das unter Leitung des EU-Kommissars Johannes Hahn ausgehandelte Abkommen war am Dienstag in schwere Turbulenzen geraten, als Präsident Gjorge Ivanov eine Amnestie für all jene Politiker verlautbarte, die in einem massiven Abhörskandal und in die zahlreichen Korruptionsskandale verwickelt sind. Die EU ist auch deshalb besorgt, weil Mazedonien in der Flüchtlingsfrage unter Druck steht. Immer wieder gibt es an der Grenze zu Griechenland, die auch auf Betreiben Österreichs für Migranten gesperrt ist, Proteste vom gestrandeten Flüchtlingen.

Kommissionspräsident Donald Tusk warnte am Freitag die mazedonische Regierung. Die Beziehungen mit der EU und der Nato stünden auf dem Spiel. Skopje will beiden Organisationen gerne beitreten. Tusk forderte die mazedonische Regierung zudem auf, die Stabilität des Landes nicht zu gefährden. Die Rechtsstaatlichkeit dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden.

Gegenseitige Putschvorwürfe

Bei jenen, die in den Korruptionsskandal involviert sind, handelt es sich in der Mehrzahl um Politikeder dominanten konservativen Partei VMRO-DPMNE. Dieser gehört auch Präsident Ivanov an. Allerdings sind auch Mitglieder der Opposition in den Skandal verwickelt. Der Chef der Oppositionellen Sozialdemokraten, Zoran Zaev, ist wegen eines angeblichen Putschversuches angeklagt. Die Regierung wirft ihm vor, dem Skandal mithilfe ausländischer Geheimdienste erfunden zu haben. Zaev warf seinerseits Präsident Ivanov vor, bei der Amnestie handle es sich um eine Staatsstreich.

Nach der Amnestie waren in Skopje zahlreiche Anhänger der Opposition auf die Straße gegangen. Bei den Protesten kam es auch zu Ausschreitungen und Krawallen. Am Donnerstagabend verliefen Proteste in Skopje allerdings wesentlich ruhiger als noch am Tag zuvor. Bei Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei wurden am Donnerstagabend sechs verletzte Sicherheitskräfte registriert. Ein Demonstrant wurde festgenommen. Zu den Zusammenstößen kam es, als die Polizisten die Demonstranten daran hinderte, zum Sitz der VMRO-DPMNE vorzudringen.

Die Sonderstaatsanwaltschaft, die die Vorwürfe laut Abkommen untersuchen soll, will ihre Ermittlungen trotz der Amnestie fortsetzen.

20.000 Menschen abgehört

Auslöser des Skandals war vor 15 Monaten die Veröffentlichung illegaler Mitschnitte von Telefonaten des damaligen Regierungschefs Nikola Gruevski mit engen Mitarbeitern. Diese sollten laut Opposition Korruption, Misswirtschaft, die Drangsalierung der Justiz, Knebelung der Medien und Kriminalisierung politischer Gegner beweisen. Gruevski bestreitet die Vorwürfe, und spricht von einer im Ausland orchestrierten Aktion. Welche Staaten involviert sein soll, sagt er nicht.

Die frühere jugoslawische Teilrepublik, die seit zehn Jahren auf den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen wartet, stürzte in eine Staatskrise, die die EU auf den Plan rief. Mit seiner Amnestie-Ankündigung vom Dienstag goss Ivanov erneut Öl ins Feuer der Konflikte.

Vom Ausland missbrauch

Ivanov hatte am Donnerstag seine Entscheidung verteidigt. Im Fernsehen sagte er, dass die ermittelnde Sonderstaatsanwaltschaft im laufenden Wahlkampf vor der Parlamentswahl missbraucht würde. Er warf ferner ausländischen Botschaftern vor, Druck auf ihn auszuüben. Tatsächlich haben EU und USA immer wieder auf die Erfüllung des Abkommens gedrängt.

Zudem, so Ivanov, stamme die Amnestie-Idee nicht aus dem Reihen seiner Partei, sondern von Oppositionschef Zaev. Dieser habe ihn in einem Telefongespräch am 9. April darum ersucht, weil er um seine Karriere fürchte. (red, Reuters, 15.4.2016)