Die Identitären drängten die Darsteller von der Bühne ab, verspritzten Kunstblut, rollten ein Transparent aus und verteilten Flugblätter mit der Überschrift "Multikulti tötet!".

Foto: Armin Rudelstorfer

Nachdem die rechtsextremen Identitären am Donnerstagabend eine Aufführung des Elfriede-Jelinek-Stücks "Die Schutzbefohlenen", deren Besetzung zum Großteil aus Flüchtlingen besteht, im Audimax der Universität Wien gestört haben, ermittelt der Verfassungsschutz. Das erfuhr DER STANDARD von einem Sprecher der Wiener Polizei.

Die Polizei ermittle gegen acht unbekannte Täter wegen Körperverletzung – unter anderem wegen eines Faustschlags ins Gesicht – sowie gegen vier namentlich bekannte und vier unbekannte Tatverdächtige wegen Störung einer Versammlung, sagt Polizeisprecher Thomas Keiblinger. Zudem liege eine Anzeige wegen Sachbeschädigung vor. Eine Besucherin des Stücks, eine Geflüchtete aus Syrien, befinde sich noch in Spitalsbehandlung, sagte die Regisseurin der Aufführung, Tina Leisch, zum STANDARD.

Sofortfahndung der Polizei

Drei der vier namentlich bekannten Tatverdächtigen seien bei einer Sofortfahndung mit Beteiligung der Wega in der Alser Straße festgehalten worden, so der Polizeisprecher. Die Auswertung eines Videos und Einvernahmen der Opfer könnten zur Ausforschung weiterer Namen führen.

Während der Aufführung der mit dem Nestroy-Preis ausgezeichneten Produktion des Kollektivs "Die Schweigende Mehrheit" hatten 20 bis 30 Identitäre die Bühne gestürmt, Kunstblut verspritzt, ein Transparent entrollt und Flugblätter mit dem Titel "Multikulti tötet!" ins Publikum geworfen. Die Hochschülerschaft der Uni Wien berichtet zudem in einer Aussendung von Schlägen gegen Besucher des Stücks. Die Identitären, die sich noch am selben Abend in sozialen Medien mit der Aktion brüsteten, dementieren das.

Ostermayer: "Schockierende" Aktion

Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) verurteilte die Aktion am Freitag. "Die gestrige Störaktion an der Universität Wien ist schockierend und reiht sich leider in eine Reihe von Übergriffen dieser Gruppe ein, die zutiefst abzulehnen sind", erklärte Ostermayer. "Die verfassungsrechtlich verankerte Freiheit der Kunst und die Meinungsfreiheit sind genauso wie der Schutz von Minderheiten in einer aufgeklärten Demokratie unantastbar. Wer sich hier dagegenstellt, ist ein Feind der Freiheit, der Kunst und der Werte der Aufklärung, auf denen Europa fußt."

Als Reaktion wird die Stadt Wien das Ensemble der "Schutzbefohlenen" zu einer Aufführung im Rathaus einladen. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) sprächen die Einladung gemeinsam aus, hieß es in einer Aussendung Vassilakous am Freitag. Man setze damit "ein klares Zeichen gegen Hetze und Ausgrenzung".

Regisseurin "perplex"

Regisseurin Tina Leisch zeigt sich "perplex" von dem Angriff. "In dem Stück geht es ja gerade darum, interkulturelle Konflikte zu verhandeln – wir sagen eben nicht: Flüchtlinge sind da, alles super", so Leisch. Für einige der Darsteller sei der Angriff schockierend gewesen, zwei von ihnen hätten sich danach nicht mehr auf die Bühne getraut. Nach der Unterbrechung wurde die Vorführung in Anwesenheit der Polizei fortgesetzt.

Der Obmann der Identitären, Alexander Markovics, droht indes in einer Aussendung mit weiteren Aktionen: "Wir werden dafür sorgen, dass es kein friedliches Hinterland mehr für die Multikultis geben wird." (Maria Sterkl, 15.4.2016)