450 Millionen Menschen weltweit leben mit psychischen Störungen. Eine Million begeht jährlich Suizid.

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Psychische Störungen sind nicht die Ausnahme, sondern in der Gesellschaft alltäglich. Bis zu 25 Prozent der Erwerbstätigen leiden an einer solchen Krankheit. Ausgrenzung, Langzeitkrankenstände und Stigmatisierung schädigen die Betroffenen genauso wie die Gesellschaft insgesamt, hieß es kürzlich beim Gesundheitsforum Seitenstetten "Praevenire".

Österreich wäre durchaus in einer guten Situation, wenn es um Hilfe für Menschen mit psychischen Erkrankungen geht. Christopher Prinz, leitender Strategieanalytiker vom Direktorat für Beschäftigung, Arbeit und Sozialordnung der OECD, führte in einer Videobotschaft dabei ein funktionierendes Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen an. Aber keiner dieser Sektoren lege einen "Fokus" auf psychische Erkrankungen. "Sie sind so häufig, dass man sie nicht ignorieren kann. Aber wir tun es."

Höchste Priorität müsse zunächst die Hilfe im Kindes- und Jugendalter haben, in dem sich psychische Probleme zumeist erstmals zeigen. Genauso wichtig sei es, dass zum Beispiel Ärzte sehr schnell nach Problemen im Beruf nachfragten. Der Grund liegt in dramatischen Zahlen vom Arbeitsmarkt. Prinz: "OECD-weit ist jeder dritte Arbeitslose mit einem psychischen oder psychiatrischen Problem konfrontiert, ebenso jeder zweite Langzeitarbeitslose."

Beim AMS brauche es Psychologen

Das Arbeitsmarktservice sei in Österreich relativ gut aufgestellt, besitze aber weder Mittel noch Kompetenz um mit den vielen Klienten umzugehen, die von psychischen Störungen betroffen seien. Dort müssten auch Psychologen eingesetzt werden.

"450 Millionen Menschen weltweit leben mit psychischen Störungen. Eine Million der Patienten begeht pro Jahr Suizid, die Zahl der Suizidversuche liegt zehn Mal höher. Jeder dritte Patient beim Allgemeinmediziner hat eine psychische Störung, aber nur bei jedem sechsten Patienten der Hausärzte wird diese Störung auch diagnostiziert", sagte John Bowis, ehemaliger britischer Gesundheitsminister und Europaabgeordneter für die Konservative Partei.

Die Gesellschaft dürfe einfach nicht wegschauen, betonte der Gesundheitspolitiker: "Psychisch Kranke werden gebrandmarkt, verachtet, ausgestoßen und stigmatisiert. Die Stigmatisierung führt in eine Abwärtsspirale und ist ein Verstoß gegen die Grund- und Menschenrechte." Man dürfe diese Patienten auch nicht – wie es bei spektakulären Fällen leicht gefordert werde – "wegsperren". Bowis: "Nur wenn psychisch Kranke sichtbar sind, wird die Frage gestellt, was für sie geschieht. (...) Und jeder Dritte von uns wird einmal in seinem Leben an einem psychischen Leiden erkranken." (APA, 15.4.2016)