Andreas Khol (ÖVP) und Rudolf Hundstorfer (SPÖ) sollten überlegen, ihre Wahlstrategie zu ändern.

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Man kann die Geschichte auch tragisch erzählen. Es waren einmal zwei stolze Großparteien, die das Land unter sich aufteilten: Minister, Landeshauptleute, Schuldirektoren, Autofahrerclubs, Sportvereine, Pensionistenorganisationen.

War ein Präsident zu wählen, schickten die beiden großen Parteien wichtige Leute aus ihren Reihen in den Wahlkampf. Dann mobilisierten beide ihre Hälften des Landes, und das Volk durfte wählen. Ein Kandidat bekam ein bisschen weniger Stimmen. Der andere bekam ein bisschen mehr und wurde Präsident.

Daran haben sich die beiden großen Parteien gewöhnt. Und sie machten so weiter wie bisher, auch wenn sie längst nicht mehr so groß waren wie früher. Rot und Schwarz schicken ihre Kandidaten in die Wahl: Gegen Khol gewinnt Hundstorfer allemal, denkt sich die SPÖ. Und gegen Hundstorfer hat auch Khol eine Chance, wenn schon der Onkel aus St. Pölten nicht will, denkt sich die ÖVP.

Sie sind irgendwie lieb

Nun darf das Wahlvolk seit einigen Wochen zuschauen, wie Andreas Khol und Rudolf Hundstorfer langsam, aber sicher realisieren, dass sich die Zeiten geändert haben. Die Kandidaten der großen Parteien spielen nicht mehr die Hauptrolle im Wahlkampf.

Dieses schleichende Bewusstwerden bezüglich der Realität beobachten manche mit Genugtuung oder Häme, andere mit Fassungslosigkeit. Wieder anderen – und es dürften nicht so wenige sein – bleibt nur eines: Mitleid.

Immerhin stehen da zwei Männer, die für viele auch die Großväter sein könnten und obendrein keine klassischen Ungustln sind – ganz unabhängig von ihren politischen Positionen: Khol und Hundstorfer, sie sind irgendwie lieb. Und lieben Menschen schaut man nicht gerne dabei zu, wie sie von ihren Parteien in einen Wahlkampf geschickt werden, den sie wohl nicht gewinnen werden.

Zeit für einen Strategiewechsel

Vielleicht ist es jetzt, eine Woche vor dem ersten (und für zumindest einen der beiden Kandidaten letzten) Wahlgang an der Zeit, etwas zu tun, was ihnen ihre Wahlkampfteams sicher nicht raten werden. Warum auch – sie hängen ja noch der alten Geschichte mit den beiden Großparteien nach. Aber, desperate times, desperate measures: Die traurigen Kandidaten müssen jetzt die Mitleidskarte spielen. Die Empathie der Wähler ist alles, was ihnen jetzt noch bleibt.

Dass Rudolf Hundstorfer sich selbst als geeignet betrachtet für das höchste Amt im Staat, interessiert wirklich niemanden. Es ist Zeit für persönliche Betroffenheit: Immerhin hat Hundstorfer seinen gut bezahlten Ministerjob für die Kandidatur aufgegeben. Was bleibt ihm schon nach einer Wahlniederlage? Wenn sich die SPÖ beeilt, geht sich vor dem Wahltag auch noch eine neue Plakatwelle aus:

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Andreas Khol müsste im Kampf um die Mitleidsstimmen freilich so bald wie möglich nachziehen. Das Timing wäre günstig, wurde doch gerade in den vergangenen Tagen der bescheidene Rückhalt in der eigenen Partei manifest.

Foto: standard/cremer, montage: fellner

Derzeit können Khol und Hundstorfer ohnehin nur auf jene Stimmen hoffen, die sie bedingungslos wählen. Mit einer Mitleidskampagne haben die beiden also nichts zu verlieren. Zumindest nichts, was sie nicht ohnehin schon längst aufgegeben haben. (Sebastian Fellner, 16.4.2016)