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Grelle Outfits sind ein Markenzeichen von Queen Elizabeth II., die im Februar 1952 den britischen Thron bestieg. Am Donnerstag wird sie 90 Jahre alt, nach eigener Aussage hat sie sich "recht gut erhalten".

Foto: Reuters / Chris Radburn

Wie alle anderen westlichen Industrienationen durchläuft auch Großbritannien einen rasanten Alterungsprozess. So viele Briten erleben neuerdings ihren 100. Geburtstag, dass eine Spezialabteilung des Buckingham-Palastes kürzlich aufgestockt werden musste. Denn wer die 100 vollendet, erhält persönliche Glückwünsche ihrer Majestät auf einer festlichen Grußkarte.

Ganz so weit hat es die Amtsinhaberin Elizabeth II. noch nicht gebracht. Aber immerhin feiert die Monarchin am kommenden Donnerstag einen besonderen Meilenstein und damit den Eintritt in eine ganz eigene Gruppe: "Die sehr Alten" nennt die nationale Statistikbehörde ONS ebenso zutreffend wie ein wenig uncharmant all jene, die das 90. Lebensjahr vollendet haben.

Schätzungen zufolge sind es deutlich mehr als eine halbe Million, auf einen Methusalem kommen im Schnitt fast drei hochbetagte Frauen.

"Recht gut erhalten"

Elizabeth hat also besonderes Glück, dass sie noch immer, nach nunmehr 69 Ehejahren, den Prinzgemahl Philip, 94, in ihrer Nähe weiß, schlank und kerzengerade, bereit, der Gattin galant als Stütze zu dienen. Sie gelte ja "unter meinen Altersgenossinnen als recht gut erhalten", hat die Queen schon vor Jahren ein wenig kokett gesagt.

Und tatsächlich sind ihr jene Beschwerden weitgehend erspart geblieben, die viele Gleichaltrige das Ende herbeisehnen lassen. Robuste Gene spielen dabei die wichtigste Rolle; eine disziplinierte Lebensführung, die besten Ärzte des Landes, ein Heer an Bediensteten und eine ausgewogene Work-Life-Balance tun ihr Übriges.

Von Gottes Gnaden

Immer wieder einmal stellen die Medien sehr alte Arbeitnehmer vor. Manchen wurde der Ruhestand zu langweilig, andere haben nie aufgehört mit der täglichen Beschäftigung. In jedem Fall aber handelte es sich um eine freie Wahl. Nicht so für die Königin. Für Elizabeth II., Oberhaupt des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Nordirland sowie 15 weiterer Staaten, Führerin des Commonwealth, Verteidigerin des Glaubens, gibt es keine Alternative.

"D G", also Dei Gratia, von Gottes Gnaden, steht auf jeder britischen Münze hinter ihrem Namen. Das nimmt keiner ernst, nur sie. Als einer ihrer Lieblingsprediger vor Jahr und Tag seinen Ruhestand ankündigte, antwortete die tiefgläubige Christin: "Sie können das. Ich kann das nicht."

Die schlichten Worte beschreiben das Lebensgefühl der Frau, die am 21. April 1926 als erstes Kind des damaligen Herzogs von York und seiner Frau Elizabeth zur Welt kam und auf die Namen Elizabeth Alexandra Mary getauft wurde. Mit der Thronbesteigung ihres Vaters als George VI. war das Schicksal der damals Zehnjährigen besiegelt.

"Elizabeth, die Pflichtbewusste"

Als 21-jährige Prinzessin gab sie das Versprechen, "mein ganzes Leben, ob es kurz sein wird oder lang, dem Dienst an Ihnen und an der imperialen Familie zu widmen". Dabei ist es geblieben: eine gewissenhafte Monarchin, "Elizabeth, die Pflichtbewusste", wie der Historiker Andrew Roberts sagt.

Noch in der bald 90-Jährigen, so berichten es ihre Hofschranzen, lebe das Trauma des Krisenjahres 1936 weiter: Eine weitere Disziplinlosigkeit à la Edward VIII., der damals zugunsten seiner zweifach geschiedenen Geliebten Wallis Simpson auf den Thron verzichtete, kann und darf es nicht geben. "Man stirbt in den Sielen" – also im Dienste der Arbeit, fasst Elizabeths bester deutscher Biograph Thomas Kielinger diese Haltung zusammen.

Abzudanken wie kürzlich Spaniens Juan Carlos nach 39 oder Beatrix der Niederlande nach 33 Jahren komme nicht infrage. Notfalls, etwa im Falle geistiger Umnachtung wie bei ihrem Vorfahren George III. (1760-1820), werde eben das Parlament den Thronfolger Charles als Prinzregenten einsetzen.

Ob diese Aussicht zu Elizabeths Weitermachen beiträgt? Unbeirrt trippelt die kurz gewachsene Dame von einem Termin zum anderen, erreicht einen Rekord nach dem anderen. 50, dann 60 Jahre auf dem Thron wurden von der Nation gefeiert, im vergangenen Jahr überholte sie auch noch ihre Ururgroßmutter Victoria (1837-1901) und kann mit derzeit 64 Jahren auf die längste Amtszeit englischer Monarchen seit 1066 zurückblicken.

Schweigsame Monarchin

Ob sie das toll findet oder ganz selbstverständlich, darüber dürfen ihre Fans weltweit spekulieren. Nein: Sie müssen es. Elizabeth gibt nämlich keine Interviews, breitet sich nicht aus über ihre Vorlieben, Schwächen und Ängste, wie andere Promis das zu tun pflegen. Inmitten der Wortkaskaden und Aufgeregtheiten auf sozialen Netzwerken schweigt sie, freundlich, eisern, altmodisch.

Was in früheren Jahrzehnten verstaubt wirkte, lässt die Queen längst supercool aussehen. Jedenfalls erfreut sich die Monarchie ungeahnter Beliebtheit. "Eine Kombination aus sturem Konservatismus, genau kalkuliertem Abstand und pragmatischer Anpassung" habe die Kritiker zum Schweigen gebracht, urteilt der Autor Bryan Appleyard. Jüngsten Umfragen zufolge wünschen sich gerade noch 17 Prozent der Untertanen eine Republik.

Dabei haben sie die doch längst, befindet der Historiker David Starkey: Es handle sich um eine "königliche Republik". Der Souverän ist in jedem Fall das Volk, und das Volk will seine Repräsentantin sehen. So absolviert diese bald 90-Jährige bis heute jährlich Hunderte von Auftritten, trägt dabei gern grelle Farben und lässt sich einen durchsichtigen Regenschirm über den Kopf halten.

Selbst am Geburtstag, an dem andere in ihrem Alter vielleicht die Füße hochlegen würden, will die Queen ihr Schloss verlassen und in Windsor die Glückwünsche der Bevölkerung entgegennehmen.

Zwölf Premiers, eine Queen

Ihren Untertanen hat sie annähernd eine halbe Million Orden an die Brust geheftet und Hunderte von Staatsbesuchen in bislang 128 Ländern dieser Welt absolviert. Vierzehn Mal wurde während Elizabeths Amtszeit das Unterhaus neu gewählt, zwölf Premierminister hat sie zum allwöchentlichen Gedankenaustausch empfangen.

Der vorläufig letzte, David Cameron, kam zwei Jahre nach ihrem jüngstem Sohn Edward auf die Welt, gut 14 Jahre, nachdem Elizabeth II. im Februar 1952 ihrem Vater Georg VI. nachfolgte.

Sie war damals "verheerend schlecht ausgebildet", sagt die Geschichtsprofessorin Jean Seaton. Inzwischen, nach Jahrzehnten des Aktenstudiums und zahllosen Gesprächen mit allen politischen Größen dieser Welt, verfüge die "intelligente Frau" über tiefe politische Einblicke. Dazu gehört an vorderster Stelle der Respekt gegenüber ihrem sehr eingeschränkten Handlungsspielraum.

Premier Cameron wird an diesem Donnerstag im Unterhaus die Jubilarin würdigen, auch der eingefleischte Republikaner Jeremy Corbyn von der oppositionellen Labour-Partei muss die Monarchin loben. Vielleicht sieht sie sich das Spektakel im Fernsehen an, einen Gin und Dubonnet in der Hand, ein mildes Lächeln im Gesicht. Wer wollte es der dann offiziell "sehr Alten" verdenken? (Sebastian Borger aus London, 16.4.2016)