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In der Steueroase im US-Bundesstaat Nevada ist Steuervermeidung – neben Fremdenverkehr und Glücksspiel – Big Business.

Foto: af: STEVE MARCUS

STANDARD: Die USA haben die halbe Welt dazu gebracht, ihnen Informationen über Konten und Vermögen von US-Bürgern zu melden. Umgekehrt liefern sie kaum Daten ans Ausland. Will sich Washington als letzte Steueroase etablieren?

Gardner: Ich würde sagen, es ist Kurzsichtigkeit. Es ist leichter für US-Politiker, mit dem Finger auf andere Staaten zu zeigen und zu sagen: "Diese Intransparenz bei euch muss sofort aufhören", als Probleme im eigenen Land anzusprechen. Das beste Beispiel dafür war die Reaktion von Bernie Sanders auf die Panama Papers. Seine Worte waren: "Ich habe euch gewarnt, dass Panama eine Steueroase ist." Dabei hätte er sagen können, dass die USA Riesenglück hatten, nicht selbst im Zentrum der Affäre zu stehen.

STANDARD: Wie meinen Sie das?

Gardner: Das Datenleck hätte anstelle einer panamaischen eine US-Anwaltskanzlei treffen können, die Klienten hilft, Vermögen in Nevada, Delaware oder Wyoming zu verstecken. Diese Bundesstaaten sind Schattenfinanzplätze wie Panama oder die Caymans. Es gibt nichts, was Sie in Bezug auf Briefkastenfirmen in Panama tun könnten, was nicht auch in Delaware möglich ist. US-Politiker wollen das nicht thematisieren, weil man damit keine Wahlen gewinnt.

STANDARD: Warum lässt sich mit dem Kampf gegen Steuerhinterziehung in den USA nicht punkten?

Gardner: Es gibt im Kongress einen Gesetzesvorschlag, der alle Bundesstaaten verpflichten würde, Informationen über die wahren wirtschaftlichen Eigentümer von Briefkastenfirmen einzuholen. Das wäre keine große Sache. Die Bundespolizei und die Finanz sollen Zugriff auf diese Informationen erhalten, es geht nicht um eine öffentliche Datenbank. Doch das Gesetz kommt seit Jahren nicht vom Fleck, weil viele Abgeordnete darin eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Bundesstaaten sehen. Die föderale Struktur der USA verkompliziert eine Lösung ungemein.

STANDARD: Welche Partei blockiert?

Gardner: Beide. Im Kongress die Republikaner: Für sie gehört es zum guten Ton, vor "Big Government", also einem zentralistischen Staat zu warnen, der sich überall einmischt. In Delaware haben die Demokraten das Sagen. Sie erhalten das System aufrecht, weil der Staat von Briefkastenfirmen Gebühren einhebt.

STANDARD: Wenn das Transparenzgesetz verabschiedet wird: Wären die USA bereit, ihre Daten anderen Staaten zur Verfügung zu stellen?

Gardner: Nein, die USA werden keine Steuerdaten ans Ausland liefern. Dazu müssten sich die Einstellungen im Kongress dramatisch verändern. Es gibt zu viel Widerstand gegen die Vorstellung, dass wir auch nur irgendwelche Informationen mit anderen Staaten teilen.

STANDARD: Wieso?

Gardner: Argumentiert wird mit Datenschutz. Die tiefe Ursache ist aber ein Misstrauen vieler Amerikaner gegen jede Art von Regierung. In der jüngeren Geschichte der USA gab es kein Ereignis, dass den Mythos zerstört hätte, wonach der Mensch ohne staatliche Hilfe zurechtkommt. Viele Menschen haben ein grundlegendes Widerstreben gegen den Staat, das ist Teil unserer Kultur. Die Ablehnung trifft die eigene Regierung und noch stärker andere Länder.

STANDARD: Nutzen Kriminelle Delaware als Geldversteck, oder findet legale Steueroptimierung statt?

Gardner: Es geht um beides. Was Delaware und Nevada anbieten, ist die Möglichkeit, im Handumdrehen eine Firma zu gründen. Das geht schneller, als man sich einen Bibliotheksausweis besorgen kann. Für Unternehmen ist Delaware interessant, weil dort Einnahmen aus der Nutzung von Patenten steuerfrei sind. In Nevada gibt es gar keine Gewinnsteuern.

STANDARD: Bringt es eigentlich etwas, mit Gesetzen gegen Briefkastenfirmen und Steuerhinterziehung vorzugehen? Man könnte ja auch sagen: Solange sich die Einstellung in manchen Unternehmen und bei einigen Bürger nicht ändert, wird hinterzogen werden ...

Gardner: Das Argument ist stimmig. Ich habe sehr viele US-Unternehmen in meiner beruflichen Laufbahn kritisiert, weil sie mit komplexen Offshore-Konstruktionen Steuern gespart hatten. Die Antwort darauf lautete in vielen Fällen nicht nur, dass die Vorgänge legal seien, sondern dass man als Firma gegenüber den Aktionären sogar dazu verpflichtet wäre, die Steuerbelastung zu minimieren. Solange Profitmaximierung das einzige Ziel von Unternehmen bleibt und sie nicht auch danach trachten, einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, wird jede neue Regelung dazu führen, dass Steuerexperten sofort nach Wegen suchen, sie zu umgehen. (András Szigetvari, 16.4.2016)