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Es gibt einen Bruch innerhalb der SPÖ, das hat sich am Samstag einmal mehr bestätigt. Am Landesparteitag verließen Dutzende Delegierte just dann den Saal, als Bundeskanzler Werner Faymann das Wort ergriff. Bei der Klubtagung der Wiener Landesgruppe im März versuchte die Parteijugend noch mit Trillerpfeifen den Kanzler zu übertönen. Am Samstag war der Protest zwar akustisch leiser, aber er war nicht weniger deutlich.

Fehlender Kontakt zur Basis

In den vergangenen Tagen und Wochen wurde innerhalb der Partei viel diskutiert. Grund dafür sind die geplanten Verschärfungen im Asylrecht. Teilorganisationen ließen ihrem Unmut freien Lauf. Faymann habe den Kontakt zur Basis verloren, hieß es etwa. Auch Parteigranden empörten sich darüber, dass ursprünglich keine Begutachtungsfrist geplant war. Gut, die gibt es mittlerweile, zumindest eine verkürzte. Aber ist damit wieder alles eitel Wonne?

Nein, ist es nicht. Der Frust bei vielen in der Partei sitzt tief. Vertreter der Parteispitze wollen das teilweise immer noch nicht wahrhaben. Weiterhin wird die sogenannte Notstandsregelung schön geredet. Es gehe ja nur um den Fall der Fälle, und man wird sich ja wohl noch vorbereiten dürfen. Ja, aber man muss auch die Konsequenzen sehen: nämlich dass sich die SPÖ damit eindeutig von ihrem bisherigen Weg verabschiedet, wenn sie sich nun von Bedrohungsszenarien politisch leiten lässt.

Wahlkampf und Willkommenskultur

Und man muss sehen, wofür die Partei im Herbst noch gefeiert wurde. Im Wahlkampf stellte nämlich niemand in der Wiener SPÖ in Frage, dass den Flüchtlingen kompromisslos geholfen werden muss. Vom Wahlvolk wurde das goutiert. Kaum jemand hatte der SPÖ noch ein so deutliches Wahlergebnis zugetraut, ständig war vom Kopf-an-Kopf-Rennen mit der FPÖ die Rede. Aber Michael Häupl war es gelungen, die Blauen auf Distanz zu halten.

Ein halbes Jahr später ist von dieser Kompromisslosigkeit bei der Hilfe der Schwächsten nicht mehr viel übrig geblieben. Zuerst ging Faymann auf Distanz zur deutschen Kanzlerin Angela Merkel, seither hoppelt die SPÖ bei diversen politischen Forderungen der ÖVP hinterher: Grenzzaun, Obergrenze, Asyl auf Zeit, Notstandsparagraph. Bleibt es bei der momentanen Dynamik, wird sich diese Liste in Zukunft noch fortsetzen lassen.

Viel diskutierte Resolution

Der Leitantrag in Wien, der wegen der Absage an Obergrenzen vielen zu liberal erschienen war, wurde schließlich einstimmig angenommen. Weil die Antragskommission auf Annahme plädierte und es keine Gegenbegehren gab. Parteiräson zählt offenbar immer noch viel in der SPÖ.

Was bleibt, ist ein negativer Beigeschmack, denn die Stimmung ist am Boden. "Das ist ein Schaß, so können wir nicht miteinander umgehen", brachte es Markus Rumelhart, Bezirksvorsteher in Wien-Mariahilf, auf den Punkt. Er spielte darauf an, dass viele für die Protestaktion kritisiert wurden. "Werner Faymann kann solche Dinge aushalten", entgegnete Rumelhart.

Bundeskanzler unter Druck

Ja, Faymann muss das aushalten. Aber er sollte es nicht nur aushalten, er muss auch darüber nachdenken, ob die vielen Kritiker der momentanen Linie nicht auch Recht haben. Denn es sich mit Kritikern zu verscherzen, kann noch negativ auf ihn zurückfallen. Auch diese Delegierten sind es, die in Wahlkämpfen für die SPÖ laufen müssen.

Faymanns Aufgabe wird es daher sein, den Kleber zu finden, um den Bruch in der Partei wieder zu kitten. Bevor es zu spät dafür ist. (Rosa Winkler-Hermaden, 16.4.2016)