Isaak Ehrenfeld, seine Frau und ein Enkerl mit zwei Mitgliedern des Gedenkvereins vorm Mattersburger Friedhof.

Johann Gallis/Wir erinnern

Mattersburg – Man muss nicht unbedingt ein Rabbiner sein, um zu tun, was Isaak Ehrenfeld getan hat. Um die Enkerln zusammenzupacken und ihnen zu zeigen, woher die Familie kommt, genügt es wohl, ein Opa zu sein.

Weil aber Isaak Ehrenfeld eben ein ehrenwerter Rabbiner ist – Oberrabbiner gar und Chef einer hochangesehenen Jeschiwa -, war sein Besuch unlängst in Mattersburg nicht bloß jener private Familienausflug, der er natürlich auch war. Sondern beinahe etwas Offizielles. Und das wiederum darf auch als kleiner Hinweis darauf genommen werden, dass sich da einiges geändert hat seit dem letzten Besuch im Jahr 2009.

Vertriebener Verdienstzeichenträger

Isaak Ehrenfeld ist seit dem Tod seines Vaters Akiva im Jahr 2012 Oberrabbiner von Kirjat Mattersdorf, einem orthodoxen Stadtteil im Norden von Jerusalem. Diese Gemeinde ist eine Gründung von Isaaks Großvater Samuel, dem letzten Oberrabbiner des burgenländischen Mattersburg, das bis 1924 eben Mattersdorf geheißen hat.

Aber erst im Vorjahr erinnerte sich die Stadt quasi amtlich ihres großen Sohnes und benannte den Weg entlang der Wulka, auf dem es vom alten jüdischen Viertel hinaus zum Friedhof geht, nach dem Träger des Goldene Verdienstkreuz der Republik Österreich. Das hat Bundespräsident Wilhelm Miklas dem Rabbiner 1931 dafür verliehen, dass er die orthodox-widerborstigen Burgenländer aus den "heiligen sieben Gemeinden" auf Esterházy’schen Grund, die Scheva Kehillot, in einer eigenen Kultusgemeinde gesammelt und solcherart zu braven Österreichern gemacht hat.

Spätes Erinnern

Jetzt, da der persönliche Schrecken, die individuelle Schmach und Schuld der Shoah allmählich in der Abstraktheit historischer Aufarbeitung aufgeht, ist Mattersburg endlich darangegangen, seine jüdischen Wurzeln zumindest als Erinnerung ins Stadtbild zu integrieren, so wie das in anderen Gemeinden schon geschehen ist. Ein eigener Verein hat sich diesbezüglich gegründet. Dessen Obfrau, Gertraud Tometich, hat 2013 ein penibel recherchiertes Buch vorgelegt über die Zeit "Als", so der Titel, "im Burgenland noch das Schofarhorn ertönte".

Der Verein "Wir erinnern" veranstaltet – anfangs mit Wohlwollen, dann auch mit Unterstützung – der Gemeinde Führungen durch die Relikte des 1940 gesprengten Judenviertels an der immer noch so heißenden Judengasse.

Virtuelle Wiederauferstehung

Ein Plan für eine zentrale Gedenkstätte wurde gefasst, 2017, im Jahr der Kommunalwahlen, soll sie auf dem Platz der Schul eröffnet werden. Jener Synagoge, deren Inneres unlängst in der Masterarbeit einer Architekturstudentin rekonstruiert und somit auch virtuell begehbar gemacht worden ist. Nach dieser digitalen Rekonstruktion soll nun auch ein tatsächliches Modell entstehen.

Neben der Schul befand sich die Jeschiwa: Die nun in Jerusalem beheimatete Tora-Hochschule, an der Wulka stand das Rabbiner-Haus. Das und vieles mehr haben Isaak Ehrenfeld und seine ungarischstämmige Frau den vier – von 45 – Enkerln wohl erzählt, als sie nach dem – umsichtig koscheren – Empfang im Rathaus hinübergingen zum Friedhof.

Höhere Besuchsfrequenz

Die Enkel stehen vor der Bar Mizwa. Der Opa weiß von zahlreichen Besuchen zuvor ("Ich war schon hier, als das Hochhaus noch nicht gestanden ist"), wo die Ehrenfelds liegen, wo die Zeremonienhalle war. Viel mehr als solche Erinnerungen kann der Friedhof nicht bieten. Buchstäblich drübergeackert haben sie im nazistischen Furor, nur ein paar Bruchstücke von Grabsteinen sind wieder aufgetaucht.

Aber diese paar Erinnerungen erscheinen nun immer mehr Menschen besonders wert, bewahrt und gepflegt zu werden. In Mattersburg. Aber in Mattersdorf eben auch.

Isaak Ehrenfeld – der Spross einer der bedeutendsten orthodoxen Rabbinerdynastie, die auf den großen Pressburger Moses Sofer zurückgeht – wünscht sich eine Vertiefung der Beziehungen. Einen regeren, beiderseitigen Besuchsverkehr. Eine Art Städtepartnerschaft, schließlich habe man ja ziemlich was gemeinsam. Ingrid Salamon, die SP-Bürgermeisterin von Mattersburg, wird Ehrenfelds Besuch jedenfalls demnächst erwidern und nach Kirjat Mattersdorf reisen. (Wolfgang Weisgram, 18.4.2016)