Tituss Burgess spielt Titus Andromedon in "Unbreakable Kimmy Schmidt".

Foto: Netflix

Paris – Eine als besonders wirksam geltende Therapiemethode für Menschen in psychischer Bedrängnis heißt Perspektivenwechsel: Dinge so zu schauen, als sähe man sie das erste Mal. Alles so schön bunt hier! Das garantiert zumindest anfangs berauschende Aha-Erlebnisse, so lange jedenfalls, bis die rosa Klarheit abflacht und ernüchtert anzuerkennen ist, dass neben dem Schönen und Guten auch reichlich Garstiges sowohl in der Welt als auch nebenan und überhaupt erst innendrin existiert. Dann heißt es stark sein.

Unerschütterliche Frohnatur

Stark wie Serienheldin Kimmy Schmidt. Die unerschütterliche Frohnatur aus der Netflix-Serie Unbreakable Kimmy Schmidt ist vor nicht allzu langer Zeit dem wortwörtlichen Untergrund einer finsteren Sekte entstiegen und von dort – Kulturklatsch! – mitten in den Höllentiegel New York geplumpst. Dort arbeitet sie sich seit einem Jahr nach der Idee von Tina Fey (Saturday Night Live, 30 Rock) und Robert Carlock (Friends) am urbanen Wahnsinn ab und leistet mit unkaputtbarem Optimismus Widerstand gegen städtische Grundpessimisten und -chauvinisten.

Netflix US & Canada

Der Witz, der im Aufeinanderprallen von Enthusiasmus und Sarkasmus entsteht, zieht. Die absurd-komischen Abenteuer mit Ellie Kemper spielten sich auf Netflix soeben in die zweiten Saison. An ihrer Seite hat Kimmy Schmidt einen sanft-wuchtigen Mitstreiter – in der Serie heißt er Titus Andromedon, in echt Tituss Burgess. "Ich liebe die Rolle!", sagt der US-Schauspieler beim Gruppeninterview in Paris. Den Typus des sensiblen Großstadtneurotikers kenne er nur allzu gut: "Ich habe Freunde, die sind wie er."

Der ein-"s"-ige Serien-Titus heißt mit bürgerlichem Namen Ronald Wilkinson und war einen Tag verheiratet. Die Eheschließung sorgte für Schweißbäche. Noch bei der Hochzeitsfeier nahm er seinen blütenweißen Mantel und wechselte mit neuem Namen das Ufer, zu sehen in der ersten von 13 neuen Folgen.

Titus ist der Weihnachtsbaum

Mit der Rolle hat sich der New Yorker Broadway-Künstler in null Komma nichts Kultstatus erspielt. Das sei Fey und Netflix zu verdanken, sagt er: "Es ist einfach nett, mit einem Netzwerk zu arbeiten, das eine Figur wie Titus nicht als bloße Weihnachtsdekoration verwendet: Er ist der Weihnachtsbaum."

Als Zuschauer zieht es Burgess zu düsteren Adressen. Zuletzt sah er Penny Dreadful von Showtime, jenes Dauerschauer erzeugende britisch-amerikanische Serienepos mit Gruselhelden von Frankenstein über Dorian Gray bis Van Helsing, in dem es von genreklassischen Vampiren, Werwölfen und anderen unheimlichen Fabelwesen nur so wimmelt. Burgess liebt Penny Dreadful, weil "Schauspieler und Storylines großartig sind".

Penny Dreadful

Gespielt werden die Geschichten von Eva Green (James Bond), Timothy Dalton (James Bond), Josh Hartnett (Pearl Harbour) und Reeve Carney (ab Herbst als Riff Raff in der neuen Rocky Horror Picture Show). Bisher 18 Folgen aus der Produktionsschmiede von John Logan, Sam Mendes und Pippa Harris gibt es, bald noch mehr. Burgess erinnert die Serie an Into the Woods, das US-Grusical von Rob Marshall aus dem Jahr 2014, in dem Größen wie Meryl Streep, Emily Blunt und Anna Kendrick einen auf Rotkäppchen, Rapunzel und Aschenbrödel machen. Nicht unkomisch. (Doris Priesching, 19.4.2016)