Wien – Beim Geld hört sich jede Freundschaft auf, ist der Volksmund überzeugt. Eine Erfahrung, die auch Christiane Ö. machen muss. Da sie sich mehr als 50.000 Euro von Bekannten ausgeborgt, aber nie zurückgezahlt haben soll, sitzt sie mit einer Anklage wegen gewerbsmäßigen schweren Betrugs vor dem Schöffensenat unter Vorsitz von Christian Noe.

Fünf Fälle zwischen Dezember 2011 und Sommer 2015 werden der 67-jährigen, resolut auftretenden Dame vorgeworfen. Zu vier bekennt sie sich schuldig – und gleichzeitig wieder nicht. Denn, so führt sie zunächst aus, sie habe immer wieder Geld in Aussicht gehabt, um ihre Schulden zurückzuzahlen. Nur leider kam das nie.

890 Euro Pension bekommt die Unbescholtene, 37 Exekutionen hat sie schon hinter sich, vier sind im Laufen. "Das war wegen meiner ersten Ehe. Es hat geheißen, mein Mann verliert seinen Posten im Ministerium, wenn ich nicht Schulden übernehme", erzählt sie.

Schulden waren Angeklagter peinlich

Aber auch danach hat das Geld offenbar hinten und vorn nicht gereicht. Dass sie keines hatte, "war mir peinlich". Daher erzählte sie ihren Bekannten jeweils andere Geschichten, wofür sie es brauche.

Es hätten immer nur kurzfristige Kredite sein sollen. Denn: "Ich habe eine Erbschaft von der Schwester in Aussicht gehabt." Statt rund 50.000 Euro bekam sie daraus aber nur 6.000, den Rest der Schwager. Der habe ihr später 40.000 Euro versprochen. "Aber dann ist er ins Heim gekommen, und die kassieren das alles."

Das Anrecht auf die Erbschaft untermauerte sie laut Aussagen mehrerer Opfer mit notariell beglaubigten Schreiben, ob die echt sind, lässt sich auf die Schnelle nicht mehr feststellen. Vorsitzender Noe beweist eine Engelsgeduld und fragt immer wieder nach der Verwendung des Geldes.

40.000 Euro für Operationen

40.000 Euro habe sie für Operationen gebraucht, sagt Ö. zunächst. "Knie und Hüfte, das hätte bei der Gebietskrankenkasse zu lange gedauert." Schließlich gesteht sie aber doch ein, dass es bei einem nicht unwesentlichen Teil um eine Loch-auf-Loch-zu-Politik gegangen ist.

"Und haben Sie auch Urlaub gemacht?", interessiert Noe. "Seit Jahren nicht. Einmal waren wir in Madeira." Interessanterweise fallen ihr dann doch noch zwei Kreuzfahrten ein. "Aber die Reise hat ja nur 3.000 Euro gekostet." Als Ihr Noe zwei gegen sie laufende Mahnverfahren zweier Reiseveranstalter vorhält, bestreitet Ö., diese Urlaube je gebucht zu haben.

Der Vorwurf, den sie empört bestreitet, ist etwas kompliziert. Sie hat sich von einem Bankbeamten insgesamt 16.000 Euro geliehen. "Das war aber, weil seine Frau Schwierigkeiten mit ihrem Café hatte und sich ihn nicht fragen getraut hat, da sie knapp vor der Scheidung gestanden sind", behauptet die Angeklagte.

Wüste verbale Duelle

Die Frau liefert sich im Gerichtssaal bei ihrer Vernehmung wüste verbale Duelle mit der Angeklagten. "Du lügst!", wirft sie Ö. mehrmals vor. "Sie hat gesagt, sie braucht das Geld", behauptet sie. Allerdings sagt sie gleichzeitig, die Angeklagte habe ihr ein Geschenk von 17.000 Euro versprochen.

"Warum sollte sie das machen?", hält ihr Verteidiger Michael Drexler vor. "Sie wussten ja, dass sie bei ihrem Mann Schulden hat." Die Antwort ist ausweichend. Noch seltsamer wirkt, dass Ö. tatsächlich 1.000 Euro auf ein Konto der Zeugin überwiesen hat. "Woher hatte sie überhaupt Ihre Kontonummer?", wundert sich der Verteidiger. Auch hier bleibt die Zeugin vage.

Ihr Mann wiederum hat Ö. zunächst 6.000 Euro geborgt und bekam das Versprechen, fünf Wochen später 7.000 Euro zurückzubekommen. "Ist das seriös? Für Sie als Bankbeamten?", bohrt Drexler nach. Bei einer Ausleihzeit von fünf Wochen wären das nämlich fast 200 Prozent Zinsen. "Ja, sie hat es ja freiwillig angeboten", hört der Jurist.

Zeuge brüllt Vorsitzenden an

Ein weiterer Zeuge, ein älterer Herr, würde bei anderen Vorsitzenden wahrscheinlich eine Ordnungsstrafe ausfassen. Er brüllt nämlich Noe mehrmals an, da er sich an Details nicht mehr erinnern kann. "Sie können mir jetzt Löcher in den Bauch fragen, ich sage nichts! Ich habe auch meine Rechte!", ist der Pensionist überzeugt. Der Vorsitzende muss ziemlich viel Freizeit mit Meditation verbringen, er bleibt völlig gelassen.

Bei einem Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahren verurteilt der Senat Ö. schließlich rechtskräftig zu 14 Monaten bedingter Haft. Sie ist zuversichtlich, ihre Schulden begleichen zu können. "Mein Enkerl zieht wieder bei meiner Tochter ein und verkauft seine Genossenschaftswohnung. Damit hilft er mir", kündigt sie an. (Michael Möseneder, 19.4.2016)