Setzen auf Stilvielfalt in intelligenten Stücken und intensive Improvisationen: Fabian Rucker, Phil Nykrin und Andi Lettner.

Foto: Severin Koller

Wien – Unlängst, im Berio-Saal des Wiener Konzerthauses, erreichte die Musik Intensitäts- und Hitzegrade, die auch an diesem lebendigen Ort der Vielfalt nicht zum Alltag gehören. Philipp Nykrin – an Keyboard und Synthesizer – entwarf einen schräg-bunten und dynamischen Soundkosmos, Schlagzeuger Andreas Lettner sorgte für Kompaktheit. Und Altsaxofonist Fabian Rucker schien durch instrumentale Rasanz emotionale Grenzgänge zu genießen.

Das Trio hatte Material einer frischen CD im Programm (erschienen beim britischen Label Babel) und zeigte, dass es live alles andere als glatt klingt. Vielmehr verlebendigte es eine spezielle Mischung aus Jazzrock, Elektronik, Triphop und Dubsounds auf so konzentrierte wie herzhaft-ausgelassene Weise. Und veredelte sie mit den Mitteln der Improvisation im Sinne der Freiheit des spontanen Gestaltens.

Fabian Rucker

Der Bandname Namby Pamby Boy wäre im Umfeld des Begriffes "Muttersöhnchen" anzusiedeln. Allerdings sind die drei Typen, so man den Jazz, ohne sie zu fragen, als Mutter definiert, weit von dieser stilistischen Lebensquelle abgerückt.

Das Trio, so Rucker, "will auch Leute erreichen, die Jazz per se ablehnen. Allerdings geht es dabei keinesfalls darum, durch Anbiederung zu punkten." Lässt sich bestätigen. Ist hier stilistisch Diversestes dabei, kommt es in raffinierter, metrisch verspielter und soundmäßig überraschender Form daher. Das gut eingespielte Kollektiv gibt damit einiges zu genießen wie zu bedenken. Es bietet – bei aller Unmittelbarkeit der Wirkung – keine "Zurücklehnmusik". Es präsentiert Ergebnisse der Kommunikation weltoffener Zeitgenossen, die die Beatles ebenso schätzen wie John Coltrane und Klassiker der Moderne.

Etwas Eigenes

Urmotivation des Projektes war, wie bei jedem nach Identität und nicht nach Reproduktion von Historie trachtenden Musiker, der Wunsch, "etwas eigenes zu entwickeln, ohne sich an einem Stil festzuhalten. Wir wollen aus dem Vollen schöpfen; es ist nicht Jazz, was wir machen, aber wir sind auch keine klassische Rockband." Es ging wohl um das Vermeiden von Klischees jeglicher Art – Motto: "Alles kann sein, nichts muss sein." Nur wie ein normales Jazztrio durfte es nicht klingen: "Die Besetzung hebt sich aber ab vom üblichen Dreierformat."

Logisch, dass Rucker, 1985 in Salzburg geboren, wenig damit anfangen kann, wenn "die Jazzpolizei" auftritt, "wenn es reaktionär wird. Es ging doch im Jazz eigentlich immer darum, etwas Neues und Individuelles zu versuchen. Es hat sich aber mittlerweile so etwas wie eine jazzige Originalklangbewegung etabliert. Ich habe Respekt davor, wie etwa ein Wynton Marsalis das musikalisch umsetzt. Aber das Dogmatische, Ausschließende in dieser Kunst – das finde ich schade."

Die gediegene Reproduktion von Gedanken ist – für Rucker – auch besonders beim Improvisieren hinterfragenswert: "Es ist ärgerlich, wenn man sich selbst hört und die sogenannten Haus- und Hoflicks entdeckt, die man draufhat, die immer funktionieren. Das Tonmaterial, das man sich erarbeitet hat, macht einen zwar aus. Ich versuche trotzdem, immer etwas Neues zu entwickeln."

Spiel dich selbst

Saxofonkollege Andrew D'Angelo wäre erhellend gewesen. "Er hat gemeint, es käme ihm vor, ich würde auf Material zurückgreifen – ich sollte versuchen, das zu unterlassen. Wenn man es aber versucht, wird man automatisch langsamer, spielt weniger, das war gesund für mich." Wichtig waren natürlich auch die Erfahrungen mit den Kollegen Harry Sokal und Gerald Preinfalk wie auch die nach wie vor intensive Zusammenarbeit mit Weltschlagzeuger Bobby Previte, der für Jazzklischees keine Nerven mehr übrig habe. "Er will nur hören, wer du wirklich bist. Da muss nichts Neues sein – spiel, was du bist – das reicht ihm eigentlich."

Aber was ist der anspruchsvolle Musiker von heute, der doch auch eine Bindung zum Jazz hat? "Du bist deine eigene Sekretärin, dein Finanzminister und dein PR-Berater. Du machst eigentlich alles selbst ..." Und – nicht zu vergessen – auch ein toller Künstler. (Ljubisa Tosic, 18.4.2016)