Es kam nicht ganz überraschend, dass die Verhandlungen der weltgrößten Erdölproduzenten über die Drosselung der Fördermengen gescheitert sind. Selbst in Zeiten, in denen es mehr Einigkeit gab, konnte die Opec den Ölpreis nicht steuern. Nun aber kommt zu der tiefen Feindschaft zwischen Saudi-Arabien und dem Iran auch ein inner-saudischer Machtkampf zwischen der alten Garde und den Männern rund um den mächtigen Königssohn Mohammed bin Salman in der Ölpolitik dazu.
Der Iran, der mit dem Ende der Sanktionen den Weltmarkt neu betritt, will und kann sich am Einfrieren der Quoten nicht beteiligen. Doch den Jungfalken in Riad ist ein weiterer Preisverfall lieber als ein Deal, der Teheran nutzt. Da riskiert man lieber Rekorddefizite im Staatshaushalt, die man sich dank riesiger Finanzreserven leisten zu können glaubt.
Selbst eine Einigung in Doha hätte den Ölpreis nur kurzfristig gestützt. Denn ein Versprechen am Konferenztisch ist eine Sache, ein tatsächliches Zurückfahren der Förderung in einer Zeit, in der alle Staaten die Einnahmen dringend brauchen, eine andere. Da wird man rasch zum Trittbrettfahrer, der bei seinen Quoten schwindelt.
Dazu kommt der Faktor Fracking: Eine der Hauptursachen für den Preisverfall im vergangenen Jahr war die Schieferölförderung in Nordamerika. Diese ist beim jetzigen Preisniveau von 30 bis 40 Dollar je Fass nicht profitabel, weshalb Experten mit dem Ausscheiden zahlreicher Ölfirmen rechnen. Doch selbst bei einem geringen Preisanstieg würden die kleinen, unabhängigen und flexiblen US-Produzenten den Ausstieg verschieben oder die Förderung wieder aufnehmen. Da auch die Nachfrage angesichts der Schwäche der chinesischen Wirtschaft kaum wachsen wird, ist der Ölpreis durch die Frackingtechnologie erstmals seit langem gedeckelt: Er muss nicht weiter fallen, kann aber auch nicht steigen.
Ein stabiles Preisniveau von höchstens 50 Dollar schafft gewaltige Probleme für Petrostaaten wie Russland, Venezuela, Nigeria oder Iran, die ihre Wirtschafts- und Haushaltspolitik auf einen 100-Dollar-Erdölpreis ausgerichtet haben. Für die Weltwirtschaft aber ist das eine gute Nachricht, vor allem für Länder, die stark von Importen abhängig sind. Dazu gehört auch Österreich; die Leiden der OMV sind unwesentlich im Vergleich zum Vorteil für Industrie, Haushalte, Autofahrer, Wachstum und Beschäftigung.
Verlierer ist allerdings der Klimaschutz. Denn bei billigem Öl fehlt der Anreiz, Energie zu sparen und in erneuerbare Alternativen zu investieren. Das kann langfristig mehr Schaden anrichten als ein noch so starker Preissprung beim Erdöl. Doch während die Ölstaaten gegenüber den Marktkräften machtlos sind, könnten die Industriestaaten etwas tun – nämlich wirkungsvolle CO2-Abgaben einführen, die dank der derzeit niedrigen Preise politisch vertretbar wären. Idealerweise sollte das im internationalen oder zumindest europäischen Gleichschritt geschehen. Doch Österreich könnte auch allein handeln, indem etwa die Mineralölsteuer auf das Niveau der Nachbarstaaten angehoben wird. Das daraus folgende Ende des Tanktourismus wäre auch angesichts der Spannungen in der Flüchtlingspolitik eine Geste des guten Willens gegenüber Italien und Deutschland.
Es wäre tragisch, wenn die nach dem Pariser Klimagipfel aufgekeimten Hoffnungen durch zu billiges Öl wieder zunichtegemacht werden. (Eric Frey, 19.4.2016)