Wien – Die USA sollten sich aus Sicht der früheren Außenministerin Madeleine Albright bei der Aufnahme von Flüchtlingen mehr engagieren. Eine Verantwortung des Westens für Massenauswanderungsbewegungen aus Ländern wie Afghanistan, dem Irak oder Syrien wollte sie am Montag in Wien zugleich äußerst differenziert betrachtet wissen: "Die USA haben viele Menschen aus Lateinamerika aufgenommen, und alles in allem haben wir auch eine sehr großzügige Einwanderungspolitik, aber sie muss überholt werden (...), und ich denke, die Vereinigten Staaten müssen mehr (Flüchtlinge) aufnehmen", sagte Albright.

Video: Ex-US-Außenministerin Madeleine Albright bei der vom Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) veranstalteten Diskussion in Wien.
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Was Fluchtgründe betrifft, lehnte sie jedoch eine direkte US-Verantwortung ab: "Afghanistan ist eine Geschichte, die weit zurückreicht – etwa was die Sowjetunion dort gemacht hat oder die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten von Leuten angegriffen wurden, die aus Afghanistan kamen. Außerdem haben Amerikaner und NATO-Kräfte in Afghanistan viele Opfer gebracht, und versucht, es zu richten. Daher denke ich nicht, dass der Westen dafür verantwortlich ist."

Über Österreichs Flüchtlingspolitik "beunruhigt"

Auch zum Irak und Syrien meinte die Leiterin des State Department in der zweiten Amtszeit von Präsident Bill Clinton (1997-2001) und entschiedene Gegnerin der US-Invasion 2003 im Irak mit Verweis auf den "entsetzlichen Diktator Saddam Hussein, der sein eigenes Volk umgebracht hat": "Die Frage ist nicht die Verantwortung des Westens für das, was passiert. Ich glaube, verschiedene Probleme innerhalb dieser Länder haben das Problem verursacht." Auch in Syrien sei "das Problem" entstanden durch "einen Führer, der auch Fassbomben gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat".

Jedes Land solle sich gleichsam selbst bei der Nase nehmen und darüber nachdenken, wie es besser zur Bewältigung des Flüchtlingszustroms zusammenarbeiten könne, appellierte Albright. So hätten sie Berichte über die österreichische Flüchtlingspolitik "beunruhigt", Berichte über die ungarische von Ministerpräsident Viktor Orban "entsetzt". "Nicht ein einziger Staat kann hier Verantwortung übernehmen, sondern sicherlich muss es eine Verantwortung für internationale Zusammenarbeit geben, für die Menschen die von überall herkommen."

Strukturen überdenken

Und auch die bisherigen internationalen Strukturen zur Bewältigung von Flüchtlingskrisen sollten nach Meinung Albrights trotz Lobes für den Einsatz des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) überdacht werden, "denn was wir voriges Jahr oder schon länger gesehen haben ist, dass das System nicht gut genug organisiert ist, um mit einer so großen Zahl (an Flüchtlingen und Migranten) fertig zu werden. "Eine der Fragen ist, warum wir nicht fähig sind, Fälle schneller zu bearbeiten und die Menschen an den richtigen Ort zu bekommen mit den vielen technischen Möglichkeiten, die wir haben. Und die Frage ist, wie die UNO besser operieren kann, wie die EU besser operieren kann und wie die einzelnen Staaten mit Menschen umgehen, die unter schrecklichen Umständen ihre Heimat verlassen", sagte die 78-Jährige. (APA, 19.4.2016)