Um Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen, werden seit Monaten Gerüchte und Hassbotschaften auf sozialen Netzwerken verbreitet.Trotz Gegenmaßnahmen der Betreiber erfreuen sich selbstdeklariert "alternative" Medien hoher Verbreitung auf Facebook und Co. Auch Googles Videoportal Youtube wird fleißig genutzt und mit Hetzvideos oder Aufzeichnungen von Kundgebungen von Organisationen wie Pegida bespielt.

Die in Berlin beheimatete Initiative "Flüchtlinge Willkommen", die sich schon länger für Willkommenskultur und gegen Stigmatisierung stark macht, greift nun zu einer neuen Strategie. Unter dem Slogan "Search Racism, Find Truth" ("Suche Rasissmus, finde die Wahrheit") will man für mehr Aufklärung sorgen und die Uploader von Hassbotschaften in ein Dilemma bringen.

Flüchtlinge klären in Werbespots auf

Man hat Videos produziert, in denen Flüchtlinge über ihr Schicksal und gängige Klischees sprechen. Der 26-jährige Syrer Firas befasst sich unter anderem auch mit dem Problem, dass Googles Suchvorschläge beim Eintippen von "Flüchtlinge sind" als Ergänzung etwa "Kriminelle" oder "Terroristen" umfassen, schildert der Spiegel. In einem anderen Film erzählt ein anderer Geflüchteter auch von der kriminellen Vorgeschichte des Pegida-Frontmanns Lutz Bachmann.

Die Clips sollen aber nicht einfach nur veröffentlicht, sondern als Werbung ausgespielt werden. Dafür wurden von der Initiative bezahlte Werbeplätze auf Youtube gebucht. Diese wurden dabei so konfiguriert, dass die Videos vor allem vor Hetzvideos auftauchen sollen, um diese zu konterkarieren.

Flüchtlinge Willkommen

Zwiespalt für Kanalbetreiber

Durch diese "Gegendarstellung" erhofft man sich, Youtube-Nutzer, die möglicherweise leichtgläubig den Parolen gegen Flüchtlingen anhängen, zum Nachdenken anzuregen. Etwa, wenn der Clip über Bachmann vor einem Video eingeblendet wird, in dem Bachmann selbst den Flüchtlingen pauschal Kriminalität unterstellt.

Außerdem will man jene Nutzer, die durch vorgeschaltete Werbung bei ihren Hassvideos Geld verdienen, vor eine Entscheidung stellen. Wollen sie verhindern, dass die "Search Racism, Find Truth"-Spots eingespielt werden, müssen sie die Monetarisierung für ihre eigenen Filme deaktivieren. Sie haben somit die Wahl, die Aufklärung zuzulassen oder ihre Einkünfte über Youtube zu schmälern.

Gestartet ist die Aktion am 19. April. Im Moment spielt die Initiative neun verschiedene Werbespots aus. Sie erscheinen vor etwa 100 Clips, die durch bestimmte Schlagworte kategorisiert sind oder händisch als "Ziel" ausgewählt wurden. Seher können die Werbung zwar nicht unterdrücken, oft allerdings nach mehreren Sekunden überspringen.

Flüchtlinge Willkommen

Österreichische Unternehmen noch nicht für Problem sensibilisiert

Auch bei Unternehmen scheint laut Spiegel die Sensibilität zugenommen zu haben. Einige Firmen achten mittlerweile darauf, dass ihre Werbespots möglichst nicht mehr vor Videos mit Hassbotschaften auftauchen.

Zumindest in Deutschland, in Österreich scheint man hier noch wenig aufzupassen. Wer etwa nach Pegida-Videos sucht oder sich durch die Aufnahmen im Kanal von Lutz Bachmann klickt, sieht im Vorfeld nach wie vor Einschaltungen der Coca Cola-Company, Mediamarkt, Hofer, Servus TV, Conrad und verschiedenen anderen Firmen unterschiedlicher Branchen.

Abseits von Youtube haben mehrere Firmen jedoch schon Position bezogen. Supermarktketten wie Spar oder Billa stellten sich etwa gegen erfundene Meldungen, laut denen Flüchtlinge ihre Geschäfte geplündert hätten. Die Drogeriekette DM wiederum informierte über Hilfsmöglichkeiten und nahm ein Paket mit Hygiene-Artikeln ins Sortiment, das Kunden an Hilfsorganisationen spenden konnten. (gpi, 20.04.2016)

Werbung von Mediamarkt vor der Aufzeichnung einer Pegida-Veranstaltung am Kanal von Lutz Bachmann.
Foto: Screenshot/Youtube