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Virtual Reality-Brillen, wie sie mit Oculus Rift, HTC Vive oder PlayStation VR dieses Jahr erscheinen, ermöglichen das Eintauchen in fremde Welten. Durch Roomscaling-Techniken, die bei der HTC Vive bereits eingesetzt werden können und von Oculus Rift zumindest unterstützt werden, beeinflussen sogar die eigenen Körperbewegungen die Aktionen im Spiel.

Blöd ist dies nur, wenn man sich etwa in einem Shooter auf einem riesigen Schlachtfeld befindet und im Eifer des Gefechtes nach fünf Schritten gegen die Wand knallt oder andere Einschränkungen durch die tatsächliche Größe des Spielezimmers hinzunehmen sind. Hersteller beißen sich daher bereits die Zähne daran aus, derartige Limitierungen zu umgehen.

Probleme und mögliche Lösungen

Selbst wenn man als Spieler eine riesige Halle oder ein großes Feld zur Verfügung hat, ist dies für VR doch eher ungeeignet. Immerhin müssen Roomscaling-Sensoren angebracht werden, außerdem können die verbundenen Kabel bei größeren Bewegungen Schwierigkeiten bereiten. Nicht nur deshalb kann es nur das Ziel sein, Spielern größtmögliche Freiheit auf kleinstmöglichem Platz zu ermöglichen und dabei auf realitätsnahe Bewegungsabläufe zu setzen – ein schwieriges Unterfangen.

Ein zweiter Punkt ist das oft beklagte Schwindelgefühl, das bei VR auftreten kann, wenn die Bewegungen im Spiel nicht mit den tatsächlichen Aktionen des Körpers zusammenpassen. Um auch hier die Real Life-Bewegungen an Ingame-Bewegungen anzunähern, existieren bereits einige Konzepte.

Erste Versuche

Derartige Locomotion-Simulatoren, die im Spiel unendliche Distanzen zurücklegen lassen, ohne dass sich der Spieler in der Realität mehrere Meter bewegt, wurden bereits seit langer Zeit zu erstellen versucht.

Beim 2007 vorgestellten Stringwalker wurde etwa mit acht motorbetriebenen Fäden gearbeitet, die auf einer Drehscheibe montiert waren. Je vier "Strings" sind mit einem Schuh verbunden und ziehen ihn in die entgegengesetzte Richtung des jeweiligen Schrittes zurück, um die Bewegung auszugleichen.

Stringwalker, Japan 2007, motorisierte Fäden.
gokimaru

Auch das Konzept der Virtusphere entstammt noch dem letzten Jahrzehnt. Hier befindet sich der Spieler in einem riesigen Ball, der an ein dreidimensionales Hamsterrad oder an "Zorbing" erinnert, während seine Bewegungen von Bewegungssensoren überwacht werden.

Virtusphere, USA 2005, "Hamsterball.
White Knight Productions

Eine andere Idee waren zu dieser Zeit Rollschuhen ähnliche Schuhe. Deren mit Motoren betriebene Räder wirkten jedem Schritt entgegen und glichen die zurückgelegte Distanz somit wieder aus. Die Idee stammte aus Japan und wurde auf der SIGGRAPH 2006 vorgestellt.

"Powered Shoes", Japan 2006, motorbetriebene Rollschuhe.
maldoc13

Omnidirectional Treadmills

Auch wenn Hamsterbälle und Schuhe interessante Konzepte sind, ruht die größte Hoffnung und Zuversicht aber auf den sogenannten "Omnidirectional Treadmills", also Laufbändern, die in alle Richtungen funktionieren und die Fortbewegung des Spielers neutralisieren, indem sie den Schritten entgegenwirken.

Darunter sind unter anderem Geräte zu verstehen, die tatsächliche Laufbänder darstellen, wie etwa die von der EU geförderte CyberWalk-Plattform aus dem Jahr 2008, die am Max Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen gemeinsam mit internationalen Forschungsgruppen entwickelt wurde.

CyberWalk, Deutschland 2008, Laufband.
m34er

Zu den "Treadmills" im wortwörtlichen Sinne gehört auch das modernere Infinadeck, das sich an die Laufrichtung und die Laufgeschwindigkeit des Spielers anpasst und dementsprechend der Bewegung des Benutzers entgegenwirkt. Die aus mehreren Bändern bestehende Plattform kann sich dabei in alle Richtungen bewegen.

Infinadeck, USA 2014, Laufband.
Matthew Carrell

Einige Omnidirectional Treadmills arbeiten hingegen mit anderen Konzepten und sind eigentlich keine Laufbänder. Die reaktionäre Gegenbewegung, die den Spieler an ungefähr derselben Position festhalten soll, kann auch mit anderen Mitteln erwirkt werden, wie im Fall des CyberCarpets etwa mit frei rotierbaren Kügelchen.

CyberCarpet, Deutschland 2008, frei bewegliche Kugeln.
Mar Tin

Eines der ersten in dieser Hinsicht interessanten Produkte wurde mit dem motorbetriebenen Omnifinity-Omnideck vorgestellt. Mit einem Preis ab 55.000 Euro dürfte dieser Simulator für Privatpersonen aber kaum erschwinglich sein. Das Omnifinity-Omnideck sorgte vor allem in einem vor einigen Jahren auf YouTube veröffentlichten "Battlefield"-Simulator für Aufsehen.

Omnifity Omnideck, Schweden 2011, motorbetriebene Rollen.
Omnifinity

Die Größe und die Kosten derartiger Geräte sind ein Hindernis. Um Einzug in die zahlreichen Wohnzimmer zu finden, müssen kleinere und billigere Lösungen her. Aber auch diesbezüglich gibt es bereits konkrete Vorstellungen.

Spezial-Schuhe mit geringer Haftung

Der Virtuix Omni-Simulator ist etwa durch eine Kickstarter-Kampagne im Jahr 2013 bekannt geworden. Mit über einer Million Euro an Unterstützungen wurde er zu einer der zehn größten Technologie-Crowdfunding-Kampagnen auf der Plattform. Nachdem weitere acht Millionen an Investitionen aufgetrieben werden konnten, wurde das finale Produkt 2015 vorgestellt und wird seit Jänner 2016 ausgeliefert. Dafür sind 699 Dollar (621 Euro) zu berappen.

Virtuix Omni, USA 2013, Plattform mit geringer Haftung.
Virtuix Omni
"Far Cry 3" auf dem Virtuix Omni.
Virtuix Omni

Der Virtuix Omni ermöglicht Spielern das Gehen, Laufen, Springen, Sitzen, Rück- und Seitwärtsschritte. Erforderlich sind dafür neben speziellen Tracking-Schuhen mit geringer Haftung Sensoren, die Position und Schnelligkeit der Bewegung des Spielers erfassen und übertragen. Es fühle sich aber an, "wie mit rutschigen Bowlingschuhen auf dem Rand eines menschengroßen Tellers zu gehen", schreibt etwa Gizmag. Wie realistische Fortbewegung hätte es sich auf der gebogenen, rutschigen Fläche nicht angefühlt, obwohl Vorwärtsschritte zumindest "einigermaßen natürlich" erfolgen.

Österreichische "Socken"-Lösung

Eine ähnliche Version kommt aus Österreich und hat sich ebenfalls in den letzten Jahren über Kickstarter finanziert. Beim Cyberith Virtualizer handelt es sich um ein Projekt, das ursprünglich von Studenten der Technischen Universität in Wien entwickelt wurde. Das Gerät konnte sich in den folgenden Jahren international einen Namen machen.

"Skyrim" auf dem Cyberith Virtualizer, Österreich 2013, Plattform mit geringer Haftung.
Cyberith

Die Unterschiede gegenüber dem Virtuix Omni-Simulator liegen im Detail: beim Cyberith Virtualizer bewegt sich der Spieler auf einer flachen Plattform und muss sich dafür keine eigenen Schuhe, sondern nur geeignete Überzüge anziehen. Der Textil-Überzug soll dabei völlig lautlose Fortbewegung ermöglichen. Außerdem finden sich hier Mechaniken für vertikale Aktionen. Das Unternehmen fokussiere sich derzeit auf "business-to-business"-Beziehungen im Bereich professioneller Anwendungen von VR, gab man auf Anfrage von DER STANDARD bekannt.

Weitere Modelle

Auch in China wurde mit dem KAT WALK eine ähnliche Apparatur erstellt, die im Gegensatz zu den anderen Modellen auf eine ringförmige Schutz- bzw. Stützvorrichtung verzichtet. Der Spieler legt sich hier stattdessen eine eigene Vorrichtung an, die mit einer Stange mit dem restlichen Gerät verbunden ist. Damit erinnert ein Spieler an eine Katze, was dem Produkt, das für rund 700 Euro zu haben ist, wohl seinen Namen gegeben hat.

KAT WALK, China 2015, Plattform mit geringer Haftung.
KAT VR

Weniger mit den vorigen Ansätzen vergleichbar ist der in der Türkei entwickelte SpaceWalker, der eine drucksensible Plattform und ein drehbares Stützsystem aufweist. Bei diesem handelt es sich aber wiederum um ein motorbetriebenes Laufband. Daher wird der SpaceWalker auch als Fitnessgerät beworben.

SpaceWalker, Türkei 2015, Laufband.
hamit keles

Beim WizDish bewegt man sich hingegen fort, indem man die Füße gar nicht erst vom Boden nimmt. Dieses ungewöhnliche Konzept setzt rein auf das Herumrutschen auf der entsprechenden Platte. Eine Finanzierung über Kickstarter scheiterte 2013, das Gerät ist derzeit dennoch inklusive Schuhen für 510 Euro erhältlich.

WizDish, Großbritannien 2013, Plattform mit geringer Haftung.
Digital Trends

Die WalkMouse setzt auf ein Bewegungssystem, das aus Hunderten motorisierten Rollen besteht. Sie wirkt wie eine kleine Version des Omnifity Omnidecks und soll völlig ohne Sicherheitsvorrichtungen auskommen, wodurch dem Spieler ungebundene Fortbewegung ermöglicht wird.

Walkmouse, Norwegen/Schweden 2013, motorisierte Rollen.
Binopad

Realitätsnahe Simulationen Zukunftsmusik

Obwohl bereits zahlreiche Konzepte existieren, wird doch deutlich, dass eine realitätsnahe Fortbewegung in der Virtual Reality noch weit entfernt sind. Die derzeitigen Konzepte weisen doch zahlreiche Schwächen auf, wobei man bei Omnidirectional Treadmills wie dem Virtuix Omni oder dem Cyberith Virtualizer schon sieht, dass die Simulation echter Fortbewegung grundsätzlich möglich ist und sich die Forschung und Produktion auf einem guten Weg befindet.

Die meisten Apparturen unterstützen gängige VR-Headsets und Spiele, dennoch bleibt der Risikofaktor bestehen, dass einige Geräte nicht offiziell unterstützt werden oder bei gewissen Spielen oder Anbietern nicht funktionieren. Genaue Recherche ist bei einer Anschaffung daher nötig. Außerdem können die meisten Treadmills derzeit fast ausschließlich für den PC verwendet werden, Konsolen werden oft noch nicht unterstützt.

Neben den technischen Schwierigkeiten bleiben pragmatische Probleme. Die derzeitigen Geräte sind für den Durchschnittsverbraucher nicht nur sehr teuer, sondern nehmen oft auch zu viel Raum ein, um sich in klassischen Wohnzimmern etablieren zu können. Derartige Apparaturen können nicht wie Dancepads oder Balance Boards einfach abgebaut und irgendwo verstaut werden, was einige Spieler möglicherweise abschrecken könnte.

Übergangslösungen

Das bedeutet aber nicht, dass es keine Zwischenlösungen gibt, um einerseits Ingame-Aktionen an echte Bewegungen anzupassen und andererseits unangenehme körperliche Reaktionen wie Schwindel zu vermeiden.

Eine halbwegs einfache Lösung ist, Spiele anzubieten, die auf eine gewisse Körperposition oder einen verwendeten Gegenstand zugeschnitten sind.

Harry Potter-Fans bauten einen fliegenden Besen für VR.
Foto: locomotionVR

Für Autorennspiele kann so zum Beispiel in bewegbaren Cockpits Platz genommen werden, die sich dem Spielverlauf entsprechend bewegen. Fallschirm-Simulatoren benötigen zum größten Teil nur Ventilatoren und ein Gerüst, das einen Spieler in der Luft hängen lassen kann, um halbwegs reale Bewegungsabläufe zu simulieren. Für einen inoffiziellen Harry Potter-Simulator baute LocomotionVR etwa einen fliegenden Besen. Wenn das Real Life-Bewegungsgefühl den Ingame-Erfahrungen gleicht, kann Immersion und Spielspaß gleich viel besser gelingen.

Gehirnstimulation und Teleportieren

Eine andere Möglichkeit ist, körperliche Bewegungen gar nicht stattfinden zu lassen, sondern dem Gehirn vorzugaukeln. Samsung hat dafür etwa das Headset "Entrim 4D" geplant, das neben der Übertragung von Audiosignalen auch Nerven im Innenohr stimulieren soll, um den Gleichgewichtssinn des Spielers synchron zu den Geschehnissen im Spiel zu manipulieren.

Samsung Headset "Entrim 4D"
Samsung Newsroom

Der derzeitige Trend geht angesichts der spärlichen Realisierungsmöglichkeiten von echter Bewegung beim VR-Genuss eher in Richtung Bewegungsreduktion – sowohl ingame als auch im echten Leben. Im Gespräch sind vor allem alternative Steuerungsmöglichkeiten abseits von klassischen Controllern und Treadmills, zum Beispiel Teleportationssysteme. Cloudhead Games bieten etwa ein Locomotion-System namens "Blink" an, durch das sich Spieler im Spiel nicht mehr bewegen müssen, da sie sich stattdessen von Ort zu Ort teleportieren. Dies soll die Sicherheit des Spielers garantieren und Übelkeit verhindern.

"Blink" VR Locomotion von Cloudhead Games.
CloudheadGames

Eine andere Möglichkeit könnte die Fortbewegung durch Gedankensteuerung sein. Elektroden könnten die Gehirnströme des Spielers messen und in Befehle umwandeln. Gerüchten zufolge forscht Oculus in diese Richtung. Ob dies aber die Koordinationsunstimmigkeiten eliminieren oder einfach nur Richtungstasten klassischer Controller ersetzen könnte, kann nicht genau gesagt werden.

DIY-Lösungen

Es gibt aber auch "Do It Yourself"-Alternativen, für alle, die nicht so lange auf neue Technologien warten oder nicht so viel Geld investieren wollen. So stimmte etwa ein Mitarbeiter von ArsTechnica Bewegung im Spiel mit realem Laufen ab, indem er sich einfach einen Motion-Controller von HTC in den Hosenbund steckte. Da die Hüfte beim Gehen immer in die Richtung der Bewegung zeigt, ist dies eigentlich ganz sinnvoll.

Bewegung durch HTC-Controller in der Hose.
Ars Technica Videos

Auch für Treadmills existieren bereits viele DIY-Baupläne und Überlegungen. Derartige Bewegungsmaschinen für VR sollen dabei bereits ab 50 Euro möglich sein. Natürlich können sich derartige Notlösungen beim Spielen aber mehr als Einschränkung und nicht als Erweiterung des Spielspaßes und VR-Gefühls anfühlen.

Selbstgebaute "Treadmill"
VR∙Nerds

Bis es wirklich optimale Lösungen gibt, die auch für den durchschnittlichen Spieler erschwinglich sind, wird es wohl noch einige Zeit dauern. Die Vorzeichen sind aber durchaus vielversprechend, befinden wir uns doch erst am Anfang einer neuen Virtual Reality-Zeitalters. (Florian Schmidt, 29.7.2016)