Wien – Er heißt Didymoon, misst 160 Meter und kreist um einen größeren Asteroiden mit der Bezeichnung (65803) Didymos. Und er hat keine Ahnung, was ihm blüht: Didymoon ist dazu auserkoren worden, durch die gezielt herbeigeführte Kollision mit einem Raumfahrzeug von seinem Kurs abgebracht zu werden.

Hintergrund

Das Experiment dient zur Vorbereitung von Abwehrmaßnahmen, wenn sich tatsächlich einmal wieder ein Asteroid auf Kollisionskurs mit der Erde befindet – bei Didymos ist dies glücklicherweise nicht der Fall. "Das Raumschiff wird bei dem Zusammenstoß einen Impuls auf den Asteroiden übertragen und seinen Kurs verändern, so wie ein Verteidiger beim Eishockey mit einem Bodycheck einen Stürmer abwehrt", sagte Andy Chang von der Johns Hopkins University bei der Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU) in Wien.

Beim Zielobjekt handelt es sich um den kleinen Teil eines Doppelasteroiden: Der größere Gesteinskörper (65803) Didymos hat einen Durchmesser von zirka 800 Metern und wird vom 160 Meter kleinen "Mond" Didymoon in 1,1 Kilometer Entfernung umkreist. Dieses Ausmaß ist es, das Didymoon so interessant macht: Er liegt damit in der Größenordnung von Asteroiden, von denen die wahrscheinlichste Gefahr für die Erde ausgeht, weil sie recht häufig sind.

"Das Experiment findet also im Maßstab 1:1 statt und wird zeigen, ob man die Bahn von Asteroiden mit der kinetischen Energie eines Raumschiff-Einschlags effektiv genug ändern kann, um irgendwann einmal eine drohende Kollision mit der Erde zu verhindern", so Chang.

Die Mission

Bei der Mission AIDA (Asteroid Impact & Deflection Assessment) arbeiten die Wissenschafter und Ingenieure der Europäischen und US-Amerikanischen Weltraumagenturen ESA und NASA zusammen.

Zu der Mission gehören zwei Raumsonden namens AIM (Asteroid Impact Mission) und DART (Double Asteroid Redirection Test). Sie sollen 2020 beziehungsweise 2021 starten. AIM wird von der ESA entwickelt. Derzeit laufen noch die Planungen, im Sommer soll mit dem Bau begonnen werden. Das Raumschiff wird den Asteroiden für ein paar Monate umkreisen und erforschen, bis DART dort ankommt.

Diese Raumsonde wird von der NASA gebaut und soll im Oktober 2022 mit "Hypergeschwindigkeit" in Didymoon krachen, während AIM genau zusieht. Zu dieser Zeit ist der Doppelasteroid ungewöhnlich nahe an der Erde: "Das ist wichtig, damit man von hier mit Weltraumteleskopen die Veränderung in seiner Bahn genau messen kann", so Ian Carnelli von der ESA. Außerdem brauchen die Raumschiffe nur 1,5 Jahre, um zu dem Showdown zu fliegen, daher sind die Kosten moderat.

Die erhofften Ergebnisse

Der geplante Einschlag des 300 Kilogramm schweren DART-Geschosses mit sieben Kilometern pro Sekunde soll laut Berechnungen die Umlaufbahn des Asteroidenmondes messbar und die Umlaufzeit um ungefähr viereinhalb Minuten verändern, erklärte Chang. Er erwartet einen Krater von 6 bis 17 Metern Durchmesser, je nach Gesteinsbeschaffenheit von Didymoon. Die Bahn des größeren (65803) Didymos wird davon laut Chang nicht beeinflusst.

AIM wird auch eine etwa schuhschachtelgroße Sonde namens "MASCOT-2" am Asteroidenmond landen lassen. Sie soll mindestens drei Monate auf seiner Oberfläche aktiv bleiben und trägt etwa eine Kamera, um das Geschehen zu filmen, und ein Gerät, das Radiowellen durch den Asteroiden schickt, um seine innere Struktur wie bei einer Röntgenuntersuchung zu bestimmen, erklärte Michael Küppers vom European Space Astronomy Center in Spanien.

Auch wie das Material des Asteroidenmonds auf den Aufprall reagiert, wird Auskunft über seine interne Struktur geben, so Patrick Michel von CNRS in Nizza. Wahrscheinlich sind Asteroiden nicht einheitliche Gesteinsstücke, sondern aus mehreren Blöcken zusammengesetzt. "Das sind aber reine Annahmen, die nicht wissenschaftlich bewiesen sind", erklärte er. (APA, red, 20. 4. 2016)