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Viele Briten machen sich für einen Austritt aus der EU stark.

Foto: NEIL HALL

STANDARD: Fühlen Sie sich eher als Brite oder als Europäer?

Cruddas: Ich fühle mich als Engländer. Aber ich liebe Europa und besitze Immobilien in Frankreich. Aber ich bin nicht einverstanden mit diesem Klub, der Europäische Union genannt wird. Er funktioniert nicht.

STANDARD: Was spricht für einen Austritt der Briten aus der EU?

Cruddas: Die Briten sind zunehmend verärgert darüber, wie sich die EU entwickelt hat, ohne dass das britische Volk dazu befragt wurde. Aus unserer Sicht haben wir uns einem gemeinsamen Markt angeschlossen, aber jetzt werden Gesetze, Regulierungen, die Grenzen und andere hoheitliche Aufgaben von der EU kontrolliert. Jetzt können wir erstmals darüber abstimmen.

STANDARD: Welches Ergebnis erwarten Sie?

Cruddas: Es wird ein sehr, sehr knappes Rennen. Aber ich bin zuversichtlich, dass es zum Brexit kommen wird.

STANDARD: Was läuft falsch in der EU? Der gemeinsame Markt funktioniert doch recht gut.

Cruddas: Ich betrachte die EU als Organisation, von der alle profitieren sollten. Aber die Arbeitslosigkeit in der EU ist sehr hoch, die Schulden der EU-Staaten sind ebenfalls sehr hoch. Persönlich denke ich, dass diese EU auseinanderfallen wird, weil sie nicht funktioniert.

STANDARD: Der Brexit wäre dann der erste Schritt in dieser Entwicklung?

Cruddas: Ja, der Brexit wäre der erste Schritt. Das heißt nicht, dass er der Auslöser dieser Entwicklung wäre. Die Leute leiden unter diesen Strukturen, den Staatsschulden und der hohen Arbeitslosigkeit, besonders unter jungen Leuten. Die Menschen werden aufwachen und erkennen, dass die EU nicht funktioniert.

STANDARD: Glauben Sie etwa, dass ohne die EU Schulden und Arbeitslosigkeit nicht so hoch wären?

Cruddas: Das kann ich auch nicht sagen. Aber ich weiß, dass die Briten unzufrieden sind mit der Art und Weise, wie sie aus Brüssel gelenkt werden. Selbst die Befugnisse unseres Höchstgerichts sind verwässert worden. Wir werden von Leuten in Brüssel regiert, die wir nicht gewählt haben. Das ist ein großes Problem. Das Konzept der EU ist prinzipiell gut – aber das war jenes des Kommunismus auch, und der hat ebenfalls nicht funktioniert.

STANDARD: Sie sind Liebhaber von französischem Wein und Käse. Würden diese Produkte nach dem Brexit nicht teurer werden?

Cruddas: Das spielt keine Rolle. Wir überweisen jedes Jahr 20 Milliarden Pfund an die EU – und wären daher außerhalb der EU besser dran, davon bin ich überzeugt.

STANDARD: Würden Sie nach einem Austritt ein Freihandelsabkommen mit der EU befürworten?

Cruddas: Natürlich sollten wir ein Freihandelsabkommen anstreben. Die Briten wollen mit den Europäern Handel treiben und vice versa – aber auch nicht mehr.

STANDARD: Also sind Sie für eine Desintegration in Europa auf ein niedrigeres Niveau?

Cruddas: Ja, absolut. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Die Queen ist das Oberhaupt von 56 Commonwealth-Staaten wie Australien, Neuseeland oder Kanada, zu denen wir Beziehungen pflegen. Jetzt ist es für deren Bürger viel schwieriger, nach Großbritannien einzureisen, als für einen Bulgaren oder Rumänen.

STANDARD: Wie werden sich die Finanzmärkte verhalten? Erwarten Sie große Nervosität, wenn das Referendum näherrückt?

Cruddas: Die Märkte warten nicht auf das Ergebnis. Das Pfund hat in den vergangenen Monaten schon an Wert eingebüßt. Auch bei Aktien kommt es zu Schwankungen, weil manche Unternehmen vom Brexit profitieren würden, andere nicht. (Alexander Hahn, 21.4.2016)

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Peter Cruddas (52) ist Gründer, CEO und Großaktionär der Brokerfirma CMC Markets. Er gründete das Unternehmen im Jahr 1989 in London, wo es seit Februar auch an der Börse gelistet ist.
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