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Empfindliche Schlappe für die Yukos-Aktionäre in ihrem Milliardenstreit gegen den Kreml: Das Bezirksgericht in Den Haag hat dem Einspruch Russlands gegen die Zahlung von 50 Milliarden Dollar Kompensation stattgegeben. Das Gericht hob damit eine frühere Entscheidung des dortigen Schiedsgerichts auf, wonach den Aktionären eine Entschädigung für die Enteignung des einstigen Ölriesen zustehe.

Nach Ansicht der Richter war das Schiedsgericht damals nicht befugt, in der Angelegenheit zu entscheiden. Bei der Zuerkennung von Schadenersatz an die Yukos-Aktionäre habe sich das Gericht auf die Energiecharta von 1994 berufen. Russland habe diese zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert, sei folglich auch nicht an deren Vorgaben gebunden, begründeten die Richter nun den Widerruf des Urteils.

Moskau zeigte sich mit der Wende im Gerichtsprozess zufrieden. Der Anwalt für Russland Andrej Kondakow erklärte, der russischen Klage sei "im vollen Umfang stattgegeben" worden. Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach sogar von einem "historischen Urteil". Es sei das erste Mal seit 20 Jahren, dass ein Urteil des Ständigen Schiedsgerichts gekippt worden sei. Russland habe von Anfang an die Befugnis des Schiedsgerichts in Zweifel gestellt, erinnerte er. Zugleich machte der Kremlsprecher aber auch deutlich, dass Moskau nicht mit einem schnellen Ende des juristischen Tauziehens rechne und sich auf weitere Verfahren einstelle.

Berufung angekündigt

Tatsächlich hat die Aktionärsvereinigung GML schon angekündigt, in die Berufung gehen zu wollen. "Wir sind diesbezüglich zuversichtlich", sagte GML-Chef Tim Osborne auf einer Telefonkonferenz am Dienstag. Das Gericht habe die Regelungen der Energiecharta und russische Gesetze falsch interpretiert. Wichtig sei nach wie vor die "politische Motivation bei der Zerschlagung von Yukos", auf die das Schiedsgericht im ersten Urteil 2014 verwiesen habe. Ein entsprechender Antrag müsste innerhalb von drei Monaten eingehen.

Yukos wurde 2004 vom russischen Staat zerschlagen, und die wichtigsten Fördergesellschaften des Konzerns wurden verstaatlicht. 2006 wurden die Reste des einstigen Ölriesen dann wegen massiver Steuerschulden für Bankrott erklärt. Yukos-Chef Michail Chodorkowski wurde bereits 2003 wegen Betrugs- und Steuerhinterziehungsvorwürfen verhaftet. Er kam erst Ende 2013 wieder frei.

Laut Osborne hält Chodorkowski heute keine Anteile mehr an seinem ehemaligen Unternehmen. Der inzwischen im Exil lebende Oligarch gehört auch nicht zu den Klägern, kommentierte das Urteil aber trotzdem: Der Westen habe sich entschieden, den Druck auf Russland zu senken, vermutet Chodorkowski offenbar ein politisch motiviertes Urteil. (André Ballin aus Moskau, 20.4.2016)