Freuen Sie sich auf die PS4 Neo, oder fürchten Sie sich davor?

Foto: The Matrix

Die geplante Überraschung wurde Sony verdorben: Von Unternehmenskreisen an Branchenmedien weitergereichte interne Dokumente ließen die Öffentlichkeit bereits vor der offiziellen Vorstellung von der neuen, leistungsstärkeren Version der Playstation 4 wissen. Dabei handelt es sich nicht einmal drei Jahre nach dem Marktstart der Konsole ausdrücklich nicht um eine PS5, sondern um eine Art Playstation 4.5, die den Codenamen "Neo" trägt, und damit zum Unmut vieler Spielefans das traditionelle Konsolenmodell auf den Kopf zu stellen droht. Während dies manche als logische Weiterentwicklung der Branche erachten, sprechen andere schon jetzt vom Todesstoß für Konsolen.

Fließender Übergang

Die Idee hinter der PS4 Neo: Sony will mit dem Zwischenmodell vom technischen Fortschritt Gebrauch machen und künftig für noch schönere Konsolenspiele sorgen, ohne dabei einen Generationsbruch zu riskieren. PS4 und PS4 Neo sollen laut den Konzernplänen die gleichen Spiele und Inhalte erhalten, das gleiche Ökosystem nutzen und vollständig kompatibel miteinander sein (beispielsweise für Online-Matches und bestehende Games), wobei Entwickler ihre Werke auf der Neo dank deutlich größerer Leistungskapazitäten mit höherer Auflösung, schnellerer Bildrate und zusätzlichen grafischen Effekten ausgeben können sollen.

Traditionsbruch

Es ist ein Konzept, das in anderen Sparten wie Mobilfunk und PC seit jeher etabliert ist. Kunden nehmen in Kauf, das hunderte Euro teure Produkte hardwaretechnisch nur ein Jahr lang High End sind, bis sie von einem besseren Nachfolgemodell abgelöst werden. Gleichzeitig besteht dank skalierbaren Plattformen wie iOS und Android oder Windows, Mac und Linux die Gewissheit, dass nicht nur alte, sondern auch neue Programme auf viele Jahre hinaus und Hardware-übergreifend funktionieren. Das ist aus Spielersicht auch einer der großen Vorteile von Gaming-Plattformen wie Steam: Wer einen neuen PC kauft, kann auf eine Bibliothek von tausenden kompatiblen Spielen zurückgreifen.

PC-Leiden

Der Nachteil dieser Flexibilität: Neue PC-Systeme bleiben nur für kurze Zeit aktuell und der Markt wird durch tausende verschiedene Geräte mit unterschiedlichen Konfigurationen fragmentiert. Auf Kundenseite bedeutet das, dass man sich Gedanken über Spezifikationen und die Unterstützung von Hardware und Software machen muss und alle paar Jahre die eine oder andere Komponente erneuern sollte, will man die aktuellsten Games auch noch in hübscher Grafik zocken können.

Auf Entwicklerseite ist diese Flexibilität ebenfalls Segen und Fluch zugleich. Während Hersteller ihre Inhalte weitgehend frei anbieten können, müssen sie, um Rücksicht auf die allgemeine Nutzerschaft zu nehmen, eine möglichst breite Palette an PC-Konfigurationen unterstützen. Das führt dazu, dass viel Arbeit in Anpassungen gesteckt werden muss, während die Optimierung für einzelne Systeme zwangsläufig auf der Strecke bleibt. Wenngleich ein High-End-PC beispielsweise weit schönere Grafik als ein Low-End-PC produzieren könnte, gehen Entwickler meist einen Mittelweg, um weder die eine noch die andere Nutzerschaft auszugrenzen. Aus kommerzieller Sicht bestimmt nicht die Spitze, sondern die Masse, wie fortschrittlich neue Spiele entwickelt werden können.

Konsolen-Freuden

Und exakt in diesen konzeptuellen Nachteilen des PC-Ökosystems fanden Spielkonsolen bislang ihre Daseinsberechtigung. Kunden erwarben für nicht so viel Geld eine neue Konsole und konnten sich darauf verlassen, dass sie die nächsten Jahre nichts mehr dazu tun mussten, um aktuelle Games genießen zu können. Irgendwann kamen zwar Online-Updates und der Bedarf an Festplatten dazu, doch unter dem Strich sind Konsolen heute immer noch Systeme, die unkompliziert und zuverlässig sind.

Und für Entwickler kommt hinzu, dass Konsolen zwar naturgemäß nicht die leistungsstärkste, aber eine sehr beständige Hardware bieten. Spiele müssen nur für vergleichsweise wenige Modelle weniger Anbieter angepasst werden. Dadurch können Entwickler über die Jahre immer mehr aus Konsolen herausholen und ihre Entwicklungsumgebungen auf einzelne Modelle optimieren. Der Nachteil: Kommt es zu einem Generationswechsel, gibt es keine Garantie, dass alte Spiele auch noch auf neuen Konsolen funktionieren und schon gar nicht, dass sie wie bei neuen stärkeren PCs auf den neuen Konsolen besser laufen. Die vom PC bekannte Skalierbarkeit fehlte bislang. So standen Konsolenhersteller immer vor der Frage, ob sie auf Abwärtskompatibilität Rücksicht nehmen und dafür Einbußen beim technischen Fortschritt hinnehmen sollen. Kompromisse wie die Emulation von alten Spielen kosten wiederum viel Zeit und Anstrengungen seitens der Entwickler.

Gewagter Mittelweg

Und genau bei diesem leidigen Generationsablöseproblem scheint Sony mit der Playstation 4 Neo ansetzen zu wollen. Dem kolportierten Konzept nach ist es ein System, das sowohl bestehende Spiele unterstützt, als auch diese per Update seitens der Spielhersteller noch in zeitgemäßerer Grafik ausgeben kann. Alte und neue PS4-Spiele sollen dann auf beiden Systemen funktionieren und die zusätzlichen Ressourcen der Neo unterstützen können. Ein wesentlicher Grund, weshalb Sony und auch Microsoft mit der neuen Generation auf die etablierte X86-Architektur gewechselt sind, wie sie beim PC zum Einsatz kommt.

Geht der Plan auf, hätte Sony so einen Weg gefunden, die rasanten technischen Fortschritte im Hardwarebereich zu nutzen, ohne bestehende und für den Spieleverkauf so wichtige Kunden zu vernachlässigen. Ein strenges Reglement für Entwickler soll sicherstellen, dass neue Games bei vollem inhaltlichen Umfang auch auf alten PS4s laufen. So viel zur Theorie.

Betrug an der Basis?

In der Praxis steht dieses Konzept vor einigen Hürden. Rein technisch betrachtet ist es etwa fraglich, wie viel Entwickler aus der neuen Hardware der PS4 Neo herausholen können werden und wollen, wenn die alte Hardware weiterhin unterstützt werden muss. Die Skalierbarkeit dank gleicher Architekturen sollte dabei helfen, um zusätzliche Arbeit und Kosten werden Hersteller dennoch nicht herumkommen – das PC-Dilemma lässt grüßen.

Die andere Hürde betrifft die Vermarktung. Denn die Neo stellt einen dramatischen Bruch mit dem bisherigen Konsolenmodell dar, das lange Produktzyklen vorsah. Selbst wenn bestehende Kunden durch eine neue Konsole keine Nachteile für ihr Spielerlebnis erfahren sollten, stößt Sony hier auf psychologische Barrieren. Wie dieser Tage in Branchenforen und auf sozialen Medien zu lesen ist, fühlen sich manche Kunden allein durch die Möglichkeit eines so schnell eingeführten, besseren Nachfolgemodells betrogen. Speziell jene Spieler, die gerade erst eine PS4 erworben hatten, fühlen sich dadurch geneppt. Das Sicherheitsgefühl, eine Investition auf viele Jahre getätigt zu haben, ist bedroht. Die gerade eben erst gekaufte, topaktuelle PS4 ist bereits ein altes Eisen.

Berechtigte Sorgen?

Dahinter steckt eine Sorge, die durchaus berechtigt ist: Welche Garantie gibt es dafür, dass künftige PS4-Spiele weiterhin so gut auf der alten PS4 laufen, wenn Entwickler die Möglichkeiten der PS4 Neo erst einmal zu schätzen und nutzen gelernt haben? Sony kann als Plattformbetreiber Entwicklern zwar vorschreiben, dass alte Systeme weiterhin unterstützt werden müssen, wie gut sie dies tun, bleibt aber schlussendlich den Herstellern überlassen. Und eines ist auch sicher: Neue Plattformen und wie angekündigte und folgende Virtual-Reality-Systeme benötigen mehr Rechenleistung als je zuvor. Sony selbst prescht im Oktober mit seinem Playstation-VR-Modell vor.

Dass dadurch Spiele auf bestehenden PS4-Konsolen schon bald nur noch eine drittklassige Performance abliefern werden, ist wiederum schwer vorstellbar. Bei geschätzten 50 Millionen PS4-Konsolen am Markt bis Ende 2016 haben Spielhersteller 50 Millionen Gründe dafür, weiterhin qualitativ hochwertige Erlebnisse für alte PS4-Modelle herauszubringen. Selbst wenn sich die PS4 Neo rasend schnell verkauft, wird es einige Jahre dauern, bis sie die Installationsbasis ihrer schwachbrüstigen Schwesterkonsole erreicht hat. Und wie beim PC bestimmt dann auch hier nicht die Spitze, sondern die Masse wie viel Geld Entwickler in grafische und technische Fortschritte investieren.

Neue Konsolenzukunft

Die Frage ist daher vielmehr, welche langfristigen Folgen dieses neue Modell der raschen, kompatiblen Nachfolgegeräte auf den Konsolenmarkt haben wird. Werden traditionelle Konsolenkunden dadurch vergrault oder neue Kunden gewonnen, die sich von flotteren technischen Neuerungen angezogen fühlen? Bedeutet dies das Ende des bisherigen Konsolenzyklus von fünf oder mehr Jahren oder wird es neben diesen kleineren Hardware-Upgrades weiterhin grundlegend neue Nachfolger wie eine Playstation 5 oder 6 sehen?

Mit dem Wunsch nach kürzeren Upgrade-Zyklen ist Sony in jedem Fall nicht alleine. Auch Microsoft ließ in den vergangenen Monaten anklingen, künftig rascher von neuen technischen Entwicklungen Gebrauch machen zu wollen. Erste Prototypen sollen bereits in Arbeit gewesen sein. Der Drang konsumgeiler Kunden nach immer neuen Geräten hat schließlich auch so vielen anderen Sparten zum Boom verholfen. Eine Xbox 1,5 schloss Xbox-Chef Phil Spencer zwar aus, das heißt aber nicht, dass die Xbox Two nicht schon heimlich in den Startlöchern scharrt. Eines ist jedenfalls klar: Wenn die Playstation 4 Neo tatsächlich bald auf den Markt kommt, wird ihr Erfolg oder Scheitern über die Zukunft des Konsolenmarkts bestimmen. (Zsolt Wilhelm, 22.4.2016)