Supererden umkreisen ihre Heimatsterne oft in sehr geringer Distanz. Möglicherweise hinderte ihre späte Geburt sie daran, sich zu Gasgiganten auszuwachsen.

Illu.: NASA/JPL-Caltech/MIT

Berkeley – Mindestens die Hälfte der sonnenähnlichen Sterne in der Milchstraße besitzt ein Planetensystem. Rund ein Drittel davon wird von einer sogenannten Supererde umkreist, einer Planeten-Spezies, die in unserem eigenen Sonnensystem gar nicht vorkommt. Auf Basis der von Kepler und anderen Teleskopen gesammelten Daten gehen Astronomen heute davon aus, dass Supererden zwei bis zwanzig Mal so massereich sind, wie die Erde und einen bis zu vierfachen Erddurchmesser aufweisen.

Damit rangieren sie im Grenzbereich zwischen Felsplaneten und Gasriesen. Warum sie im Laufe ihrer Jugend aufgrund ihrer großen Masse nicht immer mehr Materie und Gas einsammeln und zu letzterem heranwachsen, können sich Wissenschafter noch nicht schlüssig erklären. Vielleicht haben nun aber zwei US-Wissenschafter eine Lösung für das Dilemma entdeckt.

Spätgeborene Riesen

Eve Lee und Eugene Chiang von der University of California in Berkeley vermuten, dass die Antwort mit dem Umstand zu tun hat, dass Supererden gleichsam Nachzügler sein könnten und sich erst entwickeln, wenn die protoplanetare Scheibe um einen jungen Stern bereits den Großteil des Gases verloren hat.

"Das Rätselhafte an Supererden ist, warum sie nicht zu einem Jupiter geworden sind. Ihre Kernmassen wären eigentlich groß genug, um eine Art Schneeballeffekt auszulösen, bei der der Planet immer mehr Gas einsammelt. Tatsächlich aber beläuft sich der Gasanteil von den untersuchten Supererden nur auf wenige Prozent ihrer Gesamtmasse", meint Lee. Die Simulationen der Forscher legen nahe, dass eine späte Geburt der Schlüssel zu diesem Problem sein könnte: Entstehen diese großen Felsplaneten erst signifikant nach den übrigen Planeten eines Systems, dann ist schlicht nicht genug Gas übrig, um daraus einen Gasriesen zu formen.

"Super-Puffs" kamen von außen

Das im "Astrophysical Journal" präsentierte Modell erklärt auch die Existenz einer weit weniger bekannten Planeten-Spezies: Sogenannte "Super-Puffs" sind gleichsam das "anatomische" Gegenteil einer Supererde. Es handelt sich bei ihnen um Planeten mit einer für ihre Größe ungewöhnlich umfangreichen Gashülle. Diese Objekte umkreisen ihre Muttergestirne meist in kleinem Abstand und haben vier- bis zehn Mal so große Durchmesser wie die Erde, aber dafür nur sehr geringe Massen. Oft macht der Anteil der Atmosphäre mehr als ein Fünftel der planetaren Gesamtmasse aus.

Indem Lee und Chiang ihr Rechenmodell bei den "Super-Puffs" anwendeten, konnten sie feststellen, dass diese luftigen Welten vermutlich in den äußeren Bereichen eines Sternsystems entstanden sind, wo das Gas der protoplanetaren Scheibe tiefere Temperaturen aufweist und kaum Staub vorhanden ist. Das kühle Gas erlaubt es den jungen Planeten, schneller dichte Atmosphären aufzubauen. Erst mit dieser dichten Hülle traten sie durch die gravitative Wechselwirkung mit anderen Planeten den Weg ins Innere ihres Sternsystems an. Die Astronomen hoffen nun, dass sich ihre Theorie durch künftige Beobachtungen untermauern lässt. (tberg, 23.4.2016)