Werden älteren Menschen Tabletten (hier im Symbolbild) verabreicht, die gegen nächtliche Unruhe helfen sollen, obwohl keine psychische Erkrankung vorliegt, fällt das unter Freiheitsbeschränkung.

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Salzburg – Die Gesetzeslage ist eindeutig: Nach dem seit Juli 2005 geltenden Heimaufenthaltsgesetz sind alle individuellen Einschränkungen für Menschen, die in Heimen leben, meldepflichtig – egal, ob es sich um Jugendliche, Senioren oder Einrichtungen für Behinderte handelt. Kontrolliert wird die Einhaltung der Bestimmung durch die Bewohnervertretung, die als Teil des Vereins Vertretungsnetz ex lege alle in Heimen untergebrachten Menschen vertritt. Im Fall einer Beschwerde überprüfen Gerichte auf Antrag die Maßnahmen.

Seit das Gesetz in Kraft ist, sind Bauchgurte oder Bettgitter aus den Heimen verschwunden. Was blieb, ist die Freiheitsbeschränkung mittels Medikamenten. Und hier beklagen die Bewohnervertreter wiederholt eine rechtliche Grauzone. Viele Medikamente, die de facto zur Ruhigstellung von Menschen verwendet werden, würden nicht als solche gemeldet. Sie würden von Ärzten und Pflegepersonal als medizinisch notwendige Therapie geführt und werden nicht bekannt, beklagen die Bewohnervertreter. Zudem werde oft auch die notwendige Zustimmung von Sachwaltern oder Eltern nicht eingeholt.

Volksanwaltschaft bestätigt

Eine Sicht, der sich auch die Volksanwaltschaft angeschlossen hat. Man habe hier eine "Rechtsschutzlücke", bestätigt Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ) am Donnerstag am Rande einer Konferenz zum Umgang mit Demenz und Freiheitsbeschränkungen in Salzburg. Einmal mehr betonte Kräuter, in diesem Zusammenhang dem Personal in den Heimen keinen Vorwurf zu machen. Wenn ein Pfleger über die Nacht für 40 Demenzkranke zuständig sei, "dann richtet sich der Vorwurf gegen das System".

Kräuter plädiert in diesem Zusammenhang auch für eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht. Ärzte sollten im Ärztegesetz ermächtigt werden, Pflege- oder Heimleitungen die verschriebenen Medikamente mitzuteilen. Damit könnte man auch die häufig anzutreffende Übermedikation samt Wechselwirkungen eindämmen. Nicht selten nähmen Heimbewohner bis zu 15 Medikamente.

Keine Daten verfügbar

Wie viele Menschen in den rund 900 österreichischen Seniorenheimen mit insgesamt rund 70.000 Plätzen mit Medikamenten ruhiggestellt werden, um den institutionalisierten Ablauf überhaupt gewährleisten zu können, weiß niemand. Zieht man Vergleichsdaten aus Deutschland heran – etwa aus einer Stichprobe des Amtsgerichtes München –, kommt man auf rund 50 Prozent. (Thomas Neuhold, 21.4.2016)