Rodrigo Duterte vor Anhängern. Vergangene Woche bedauerte er öffentlich, 1989 nicht selbst an der Vergewaltigung einer Australierin beteiligt gewesen zu sein. Das sei nur "ein Scherz" gewesen, sagte er später.

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Manila/Wien – "Nach den Wahlen soll Blut fließen", heißt es. "Menschen werden sterben", lautet eine weitere Einschätzung, und zwar "bis zu 100.000". Die Zitate sind keine Warnung, sondern Wahlversprechen: Sie stammen von Rodrigo "Rody" Duterte. Der 71-Jährige will Präsident der Philippinen werden. Er setzt auf ein Law-and-Order-Programm; und auf seinen Ruf, bei dessen Durchsetzung keinerlei Skrupel im Umgang mit vermeintlich Kriminellen zu kennen. Wer Illegales tue, sei "ein legitimes Ziel für einen Mord", sagt er. Umfragen sehen ihn in Führung – und das, obwohl er zugibt, mit Paramilitärs und Todesschwadronen zu kooperieren.

30 Jahre nach der Revolution gegen Diktator Ferdinand Marcos sind viele mit den Fortschritten unzufrieden, die das 99-Millionen-Einwohner-Land als Demokratie gemacht hat: Mehr als ein Viertel der Filipinos lebt in tiefer Armut, das Wirtschaftswachstum ist erst kürzlich in Schwung geraten, der Rückstand auf die Nachbarn ist groß. Im Süden kämpfen islamistische Terrorgruppen, fast überall grassiert das organisierte Verbrechen. Und in Manila regiert eine austauschbare Politikerklasse, die den Ruf der Korruption, in dem sie steht, oft verdient.

Duterte entstammt zwar auch diesen Eliten, gilt aber als anders. Man erzählt sich, seine Tochter soll einst persönlich um einen Strafzettel angesucht haben, weil sie zu schnell gefahren war. Er selbst prahlt mit seiner Harley-Davidson und seiner Waffensammlung, mit außerehelichen Affären und damit, eigenhändig drei "Kriminelle" erschossen zu haben. Papst Franziskus nannte er einen "Hurensohn", weil dessen Besuch 2015 in Manila Staus verursachte. Dafür entschuldigte er sich später.

"Wie Männer eben reden"

Drei Tage ließ er sich für eine andere Entschuldigung Zeit: Zuvor hatte Duterte darauf beharrt, seine Bemerkung über Vergewaltigung und Mord sei nur "ein Scherz" gewesen. "Ein Beispiel, wie Männer eben reden."

Dabei geht es um einen Fall aus dem Jahr 1989, kurz nachdem der einstige Anwalt in das Bürgermeisterbüro von Davao City gewechselt war. Damals hatten 16 Häftlinge in der Stadt eine australische Missionarin als Geisel genommen, sie vergewaltigt und ermordet. Duterte erinnerte sich bei einer Kundgebung daran: "Ich war wütend, dass sie vergewaltigt wurde." Aber nicht nur: "Sie war so schön wie ein Filmstar. Sie haben sie nacheinander vergewaltigt. Und ich dachte: Der Bürgermeister hätte als Erster drankommen sollen."

Das sorgte für Empörung. Duterte könnte geschafft haben, was NGOs lange vergeblich versuchten: seine Kampagne ins Wanken zu bringen. Ihre Berichte stießen bisher auf taube Ohren. Denn den menschenrechtlichen Vorwürfen steht eine Bürgermeisterbilanz gegenüber, die viele Wähler als Erfolg sehen: Davao City, einst Kapitale des Verbrechens, ist heute eine der sichersten Millionenstädte der Region. Die Polizei gilt nicht als korrupt. Verkehrsunfälle sind wegen strikter Tempolimits zurückgegangen, Drogen- und Nikotinsucht fast nicht mehr existent. Die Methoden gelten Anhängern da nur als Randnotiz: Paramilitärs sollen auf Dutertes Befehl fast 1.000 "Kriminelle" getötet haben – gewiss nicht alle wirklich schuldig, teils noch minderjährig.

Ungewöhnlicher Anhänger

"Wenn ich mich an die Zehn Gebote halte, bringe ich als Bürgermeister nichts weiter", sagt er. Als Politiker baute Duterte an ungewöhnlichen Koalitionen. Ihn unterstützt die Sekte Iglesia ni Cristo mit ihren 2,5 Millionen Mitgliedern genauso wie manche Progressive. Sie loben Duterte, weil er sich als einziger Präsidentschaftskandidat seit Jahren für LGBT-Rechte einsetzt – und weil ausgerechnet er einst Frauenrechte in Davao stärken ließ. Schließlich kann er auf Stimmen ethnischer Minderheiten hoffen. Denn Separatisten im Süden stellt er jenes föderale System in Aussicht, für das sie schon lange kämpfen.

Am meisten profitiert er aber von der Schwäche der Konkurrenz. Einst war Jejomar "Jojo" Binay Umfrageführer. Doch dem Vizepräsidenten wurde seine Nähe zur Elite zur Last – und Streit mit dem scheidenden Präsidenten Benigno Aquino. Dieser hat seine Unterstützung für Ex-Innenminister Manuel "Mar" Roxas erklärt. Weil Roxas aber als charisma- und chancenlos gilt, soll der beliebte, aber selbst auch langweilige Aquino, der kein zweites Mal antreten darf, in Wahrheit auf Senatorin Grace Poe setzen.

Sie ist Adoptivtochter eines bekannten Schauspielerpaares, ihr Vater Fernando verlor 2004 nur knapp die Präsidentenwahl. Duterte klagte gegen ihre Kandidatur. Laut Gesetz müssen Kandidaten nachweisen, auf den Philippinen geboren worden zu sein. Poe könne dies als Findelkind nicht. Das Oberste Gericht gab Anfang März Poe Recht, doch da hatte Duterte sie in Umfragen schon überholt. Er liegt bei 30 Prozent. Für den Sieg reicht die einfache Mehrheit. (Manuel Escher, 22.4.2016)