Verknüpfen Georges Méliès (Markus Zett, Mitte) mit dem 21. Jahrhundert: die Performer von Toxic Dreams.

Foto: timtom

Im Original des Stummfilms "Voyage Dans La Lune" (1902) von Georges Méliès landet die Rakete direkt im Auge des Mondes.

Escuelacine.com

Was sind die Geschichten, aus denen Träume gemacht sind? Mit der elterlichen Schuhfabrik hatten die Träume Georges Méliès' mit Sicherheit nichts zu tun. Dem Erfinder des narrativen Films widmet die Wiener Performancegruppe Toxic Dreams die aktuelle Produktion The Mechanical Paradise.

"Mechanisch", weil der Filmpionier Méliès als Erster mit der Technik der Stop-Motion arbeitete (Escamotage d'une Dame, 1896), und "paradiesisch", weil der Autodidakt sich damit seinen Lebenstraum erfüllte. Mit sieben Kurzfilmen hangelt sich Toxic Dreams an Méliès' Werk entlang, mit jedem Jahr wird dem Regisseur auch ein immer längerer Bart angehängt. Vier davon sind Tableaus seiner bekanntesten Kurzfilme, in denen Karten gespielt wird (Une Partie De Cartes, 1896) und sich drei Meerjungfrauen vor einem Hai retten lassen müssen (La Sirène, 1904), und seines bekanntesten Films Voyage Dans La Lune (1902), wo Darsteller mit Regenschirmen bepackt in einer Rakete zum Mond fliegen und Einheimischen den Garaus machen.

Der Fantasie Yosi Wanunus (Text und Regie) entsprungen sind ein zweiteiliges Biopic und der Versuch aufzuzeigen, was das Ergebnis wäre, wenn Méliès (Markus Zett) auch nach 1913 noch Filme im Stummfilmstil produziert hätte: "The Jews" stellt den Anfang der zionistischen Bewegung inklusive Theodor Herzl am Diskussionstisch nach.

Gewaltige Musik

Das Stück begleiten zwei "Bonimonteurs", quasi die MCs (Masters of Ceremony) des frühen 20. Jahrhunderts; sie kommentieren, begeistern, streiten und geben sich wie zwei Anwälte, die ihren aktuellen Fall – das Leben Méliès' – verteidigen. Auch die oft gewaltige Livemusik (Michael Strohmann, David Schweighart) sorgt für eine alles andere als stumme Interpretation des Stummfilms.

Entlang der Filmchronologie des Regisseurs wird versinnbildlicht, wie sich auch das Repertoire Méliès' von Film zu Film mit einem Mehraufwand an Requisiten und auch durch seine Erfahrungen im Theater erweiterte.

Für einen Moment wurde es still im Historischen Saal des Metro-Kinos, wo die Uraufführung von The Mechanical Paradise passenderweise stattfand. Denn Méliès habe ja auch den allerersten pornografischen Film gedreht – die Klamotten verschwinden natürlich durch Zauberei.

Die Stärke des Abends besteht in der Übertragung der Leidenschaft Méliès' aus dem Paris der Jahrhundertwende ins Hier und Jetzt. Dieser hat die Rakete in Voyage Dans La Lune zwar schon 1902 zum Mond geschossen. Dennoch trägt die aufblasbare Weltkugel, die von den Performern nach der inszenierten Landung durch den Saal gereicht und geworfen wird, dazu bei, das Mechanical Paradise im 21. Jahrhundert zu vermuten. (Anja Krämer, 22.4.2016)