Einen Blick in die noble Villa im 19. Bezirk erhaschen, ohne dafür den Bürosessel zu verlassen: Die Virtual-Reality-Brille macht es möglich – zumindest für ausgewählte Kunden.

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Beim Luxusmakler Avantgarde Properties steht die Besichtigung einer Villa auf dem Programm. Das alte Gemäuer aus dem Jahr 1912 verfügt über sieben Schlafzimmer und genauso viele Bäder auf vier Etagen, und es befindet sich im 19. Bezirk. Sophie Karoly, zuständig für Marketing und Kommunikation, muss für die Besichtigung ihr Innenstadtbüro nicht verlassen. Sie bietet ihren Lederstuhl an und packt eine klobige Virtual-Reality-Brille aus.

Erst wird diese aufgesetzt, dann am Hinterkopf fixiert. Ist das Bild noch unscharf, kann es mittels Rädchen auf der Seite der Brille nachjustiert werden. Ausgangspunkt der Besichtigung ist die Eingangshalle. Man bewegt sich, indem einer der zahlreichen blauen Punkte im Bild fokussiert wird. Ein Sensor nimmt die Blickrichtung wahr. Der Punkt färbt sich grün. Man bewegt sich darauf zu – auch wenn man in Wahrheit im Büro sitzt und nur den Kopf dreht.

"Das ist eine Supermethode für internationale Kunden", sagt Karoly. Ihr Unternehmen verfügt auch über ein Büro in Peking. "Aber es ist nicht einfach, Chinesen nach Österreich zu bringen." So könnten sie auf Immobilienmessen im Ausland auf den Geschmack gebracht werden. Seit Jahresanfang hat Karoly die Brillen im Gepäck. Einen Blick in die noblen Villen und Luxuspenthäuser bekommen aber auch damit nur Auserwählte: In der Luxusimmobilienbranche ist Diskretion gefragt.

"Eine Investition, die sich auszahlt"

"Derzeit sind wir dabei, sämtliche Immobilien mittels Spezialkamera abzuscannen", sagt Karoly. Diese Kamera musste eigens aus den USA bestellt werden. Wie hoch die Investition in die Technikspielerei insgesamt war, will Karoly nicht verraten. Aber sie hat sich ausgezahlt, ist sie überzeugt: "Die Reaktionen sind wahnsinnig positiv ausgefallen." Und schwindlig sei noch keinem Kunden bei der virtuellen Besichtigung geworden, auch wenn manche dies befürchtet hatten.

Die neue Technik habe zudem Vorteile für beide Seiten: Denn so lasse sich von zu Hause eine Vorauswahl an interessanten Immobilien treffen. Auch für den Abgeber sei es bequemer, weil er sein Haus nicht ständig Fremden zeigen müsse. Eines stellt Karoly aber klar: "Eine Brille ersetzt keine Besichtigung." Seit kurzem können die Makler auf einem Monitor mitverfolgen, was der Kunde gerade anschaut. Künftig könnten das auch Immobilien sein, die es noch gar nicht gibt: "So kann man Objekte, die sich im Bau befinden, für potenzielle Käufer erlebbar machen." Im Luxussegment hält es auch Peter Ulm, Vorstandschef des Entwicklers 6B47, für sinnvoll, auf solche Vermarktungstools zu setzen. Bei günstigeren Wohnungen würde sich das aber nicht auszahlen.

Fertighaus online planen

Aber auch in günstigeren Gefilden interessiert man sich dafür. Auf der Webseite des Fertighausherstellers Variohaus kann man seit kurzem sein Haus auf dem Reißbrett planen, virtuell einrichten und sogar, fast wie im Computerspiel, Wände streichen und Möbel versetzen – und schließlich, falls das Produkt laut Experten statisch machbar ist, auch mittels VR-Brille besichtigen.

Im März wurde die Technik auf der Wiener Immobilienmesse präsentiert. Die Leute seien vorsichtig, aber interessiert gewesen, erinnert sich Geschäftsführer Josef Gruber, besonders weil die virtuellen Rundgänge auf einem Monitor von Umstehenden mitverfolgt werden konnten. Eines ist aber trotz virtueller Spielereien klar: Die Einweihungsparty wird analog ausfallen. Und ob die Wände in echt dann tatsächlich so bunt aussehen, wie sie eben noch virtuell gestrichen wurden, wird sich weisen. (Franziska Zoidl, 24.4.2016)