Skopje/Sarajevo – Die EU-Kommission droht in der angespannten innenpolitischen Lage in Mazedonien Sanktionen gegen jene Kräfte an, die das gemeinsame Abkommen der vier Parteichefs mit der EU unterlaufen. Die Drohung ist vor allem gegen Präsident George Ivanov gerichtet, der am 12. April eine Amnestie für 56 Politiker und ihre Mitarbeiter erlassen hatte und damit die sogenannte Pržino-Vereinbarung, die Bemühungen der EU und die Arbeit der Sonderstaatsanwaltschaft ad absurdum geführt hat. Möglich sind etwa Einreiseverbote in die EU sowie das Einfrieren von Konten.
EU-Kommissar Johannes Hahn fand klare Worte: "Die anhaltenden Themen zur Rechtsstaatlichkeit in Skopje, die die Vereinbarung untergraben, müssen ohne weiteren Aufschub angegangen werden. Das betrifft im Speziellen die präsidentielle Begnadigung und die Schritte, die notwendig sind, um glaubwürdige Wahlen vorzubereiten. Weiter heißt es in seiner Stellungnahme: "Weil es keinen weiteren Fortschritt gibt, sind wir gezwungen, weitere Aktionen zu überdenken."
Keine legale Basis für Amnestie
Hinter den Kulissen wird nach einer Möglichkeit gesucht, wie Präsident Ivanov seine Amnestie zurücknehmen kann. Wie DER STANDARD berichtete, beruht die Entscheidung Ivanovs laut einigen Rechtsexperten aber ohnehin auf keiner legalen Basis. Denn der Artikel 11 des Begnadigungsgesetzes, auf den sich Ivanov berief, ist seit 2009 außer Kraft. Weiters ist problematisch, dass nach Artikel 3 des Begnadigungsgesetztes die präventive Amnestie – also eine Begnadigung vor der Verurteilung – nur erfolgen kann, wenn sie "ex officio" – also von Amts wegen vom Justizminister initiiert wird. Auch dies war nun bei der Amnestie für 56 Politiker und deren Mitarbeiter nicht der Fall. Sie ging allein vom Präsidenten aus. Zudem wurde erst im Februar vom Verfassungsgericht ein Paragraf gestrichen, dem nach eine Amnestie nicht erfolgen kann, wenn es um Wahlbetrug geht. Bei einem Teil der von der Amnestie betroffenen Politiker ist dies der Fall.
Grundsätzlich versuchen die EU-Vermittler ein neues Krisengespräch in Wien zu organisieren. Zünglein an der Waage in der derzeitigen Situation ist die größte Albanerpartei DUI. Wenn diese nicht mehr zusammen mit der Regierungspartei VMRO-DPMNE für Wahlen am 5. Juni eintritt, könnten diese leichter verschoben werden. Das für Freitag angesetzte Krisentreffen in Wien war zuvor abgesagt worden.
Am Donnerstagabend demonstrierten erneut zehntausende Menschen in Skopje gegen Ivanov, auch für Freitag waren wieder Proteste angekündigt. (Adelheid Wölfl, 22.4.2016)