Und nein, immer wieder NEIN: Sex ist nicht Sexismus. Das eine ist einvernehmlich eine tolle Sache, und das andere ist Diskriminierung.

Foto: Pinkstinks

Oh mein Gott, wie konnte das passieren: Werbeland wird abgebrannt! Offenbar gibt es einen Verein, der Sex verbieten will. Nacktheit vollverschleiern. Die Jugend verderben, dem Werbegott abschwören, der Prüderie huldigen und einen totalitären Zensurstaat errichten. So jedenfalls war es vielfach in der Presse zu lesen, als verlautbar wurde, dass sich der deutsche Justizminister Heiko Maas in einer noch nicht näher bekannten Weise den Vorschlag der Nichtregierungsorganisation Pinkstinks zum Verbot von sexistischer Werbung zu eigen machen will.

Wobei mir gerade einfällt: Pinkstinks, das bin ja auch ich. Huch! Da gehöre ich wohl mit zu diesen "linksradikalen Genderlesben", "Femifotzen" und als was man meine Kolleginnen und mich noch so seit Tagen in E-Mails und den sozialen Medien bezeichnet. Wie kommen wir eigentlich dazu, so ein Verbot zu fordern und obendrein noch mit Lobbyarbeit politischen Einfluss zu nehmen? Darf man das? Ist das nicht dieser berühmt-berüchtigte Lobbyismus im Bundestag? Also Abgeordneten auf Partys zwischen Canapés auflauern und aus Versehen ein paar Geldscheine in ihren Brusttaschen vergessen?

Blickfangobjekte

Schon möglich. Bei uns lief das eher ab wie bei den meisten kleinen Vereinen, die sich ein politisches Ziel setzen und versuchen, es zu realisieren: mit Herzblut, Überstunden und Durchhalteparolen am Rande der Belastungsgrenze. Mit Vorarbeiten und Nachfinanzieren. Und vor allem: immer wieder dasselbe sagen müssen:

Nein, wir sind nicht gegen Nacktheit und gegen freie Meinungsäußerung. Wir haben nur etwas dagegen, dass Frauen in Werbung ohne jeden Produktbezug als Blickfangobjekte dafür herhalten müssen, andere Objekte anzupreisen. Nein, wir sind nicht die Ersten, die Werbung reglementieren wollen. Das Prinzip gilt schon länger, weil Werbung eben nicht nur Information darstellt, sondern einen Beeinflussungsversuch der Kaufentscheidung. Ich kann Ihnen hier also erzählen, dass Wein bekömmlich ist, probiotische Lebensmittel die Abwehrkräfte stärken, Kaugummi gegen Zahnbelag und Mineralwasser bei der Verdauung hilft. Die entsprechenden Produkte so zu bewerben, ist jedoch untersagt.

Sex ist nicht Sexismus

Und nein, immer wieder NEIN: Sex ist nicht Sexismus. Das eine ist einvernehmlich eine tolle Sache, und das andere ist Diskriminierung. Wem also die Vorstellung seltsam vorkommt, beim Anblick der Person, mit der man Sex haben möchte, zu denken "Geil, jetzt werde ich dich gleich so richtig auf dein Geschlecht bezogen diskriminieren!", der sollte das eigentlich auseinanderhalten können. Trotzdem landet man immer wieder in der Verwechslungsfalle, in der man als sex- und körperfeindlich identifiziert wird. Als antiliberal oder spießig. Unter anderem wurde uns das von Christian Lindner, dem Chef der FDP, vorgeworfen.

Gut, wir sind natürlich nicht so cool wie Hotelbesitzer, die Lindners Partei 2009 erfolgreich um eine Mehrwertsteuererleichterung angeschnorrt haben.

Heute Show

Stattdessen befürworten wir ein total unhippes Verbot der krassesten Form von geschlechtsbezogener Diskriminierung in Werbung, weil nach Artikel 3 des Grundgesetzes jede und jeder das langweilige Recht darauf hat, nicht diskriminiert zu werden. In einem bereits regulierten Feld wie der Werbung, dem man sich zudem in öffentlichen Räumen nicht entziehen kann, wäre das sinnvoll und sollte möglich sein. Wobei alternativ auch eine Stärkung der Kompetenzen und Sanktionsmöglichkeiten des zuständigen Werberats zu erwägen wäre.

Selbstgefällige Liberalität

Und wo wir schon bei den Liberalen sind: Was ist das für eine selbstgefällige Liberalität, die sich in einem Wirtschaftsfeld, das aus guten Gründen bereits reglementiert ist, nicht die Freiheit zur Diskriminierung anderer nehmen lassen will? Wieso besteht sie nicht nur auf ihrem Recht, meinungsfrei zu diskriminieren, sondern beharrt auch noch darauf, damit Geld verdienen zu dürfen? Warum pocht sie reflexartig darauf, dass man solche Produkte ja nicht kaufen müsse, anstatt sich eigenverantwortlich zu fragen, wieso sie ständig so wirbt?

Werbeland wird mitnichten abgebrannt. Werbeland soll nur auf eine funktionierende Art und Weise daran erinnert werden, dass es neben Rechten auch Pflichten hat. Mehr nicht. (Nils Pickert, 24.4.2016)