So ungewiss, wie manche glauben, ist Österreichs politische Zukunft doch nicht, zumindest, wenn man dem "Trend" glauben darf. Seit der ÖVP-Regierungsumbildung vom vergangenen Wochenende steht auch fest: Außenminister Sebastian Kurz wird bald nächster ÖVP-Chef und Kanzlerkandidat, versicherte das Magazin in der letzten Ausgabe seinen Lesern. Das steht zwar schon fest, seit Sebastian Kurz das Geilomobil mit dem kaum weniger geilen Außenministerium vertauscht hat, aber seit Erwin Pröll wieder einmal in der Volkspartei zugeschlagen hat, wird es dringend. Leider sind noch zwei Fragen offen: Wann genau er sein Amt antritt und ob er gleich in Neuwahlen geht. Letzte Gewissheit ist bei der ÖVP eben nicht zu haben.

Umso mehr Glorifizierung beim "Trend". Ein politisches Ausnahmetalent wie ihn hat es in der Zweiten Republik auch erst dreimal gegeben: Sonnenkönig Bruno Kreisky, seinen Kronprinzen Hannes Androsch und den Populisten Jörg Haider. Vergleiche sind gewöhnlich Glückssache. Es behauptet zwar kein ernstzunehmender politischer Beobachter, dass Österreich so etwas habe wie eine Außenpolitik, aber schon das allein reicht manchen offenbar, einen kaum der Eierschalen ledigen Außenminister, der seinen Job keinem anderen Grund als rabenschwarzer Verzweiflung verdankt, mit Bruno Kreisky zu vergleichen.

Die Machtübernahme von Sonnenkönig Kurz ist zwar so gut wie geritzt, nur bedauerlicherweise noch mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Einerseits: Der amtierende Parteichef Reinhold Mitterlehner hat ein Ablaufdatum, eine Prophezeiung, die in der ÖVP keinerlei Risiko darstellt. Wer ihn kennt, weiß, dass er dieses wahrscheinlich mit seinem Rücktritt gleich nach der verlorenen Präsidentenwahl selbst bestimmen wird. Wahrscheinlich müsste das also ungefähr kommenden Montag sein. Und der Nachfolger wird Sebastian Kurz heißen. Darauf hat sich schon vor Längerem nicht nur St. Pölten festgelegt – zum Herrscher an der Traisen pflegt Kurz ein inniges Verhältnis, denn irgendetwas Sinnvolles muss ein Außenminister ja tun. Auch in allen anderen relevanten Parteikreisen herrscht darüber Einverständnis.

Andererseits: Jetzt beginnt es kompliziert zu werden, nicht nur für den "Trend". Inniges Verhältnis hin oder her, Kurz selbst will noch nicht in den sauren Apfel beißen, er würde gerne noch ein Weilchen in der Etappe des Außenamtes sein Image verfestigen. Wer würde das nicht verstehen? Aber zu warten, bis der saure Apfel von selber zu köstlicher Süße heranreift, geht auch nicht, denn eine Interimslösung an der Parteispitze hält die ÖVP nicht mehr aus. Bleibt also die eine, ziemlich riskante Variante: Her mit dem sauren Apfel, Kurz übernimmt gleich nach dem für SPÖ und ÖVP desaströs verlaufenen ersten Präsidentenwahlgang. Das wäre dann Anfang nächster Woche.

Es gibt nur noch ein kleines Problem. Dann braucht er schon einen klugen Neuwahlplan für September. Also wenn es nur das ist, sollte es für jemanden, der nun zum Hoffnungsträger, wenn nicht gar Messias wird, eine Kleinigkeit sein. Kluge Neuwahlpläne dürften bei der ÖVP zu Dutzenden in den Schubladen herumliegen, der Messias braucht nur zuzugreifen.

Ob ein Wolfgang Sobotka auch nach seiner messianischen Versendung in die Bundesregierung zum Herrscher an der Traisen ein inniges Verhältnis pflegt, lässt sich mit dem berühmten Papiertest überprüfen. "Zwischen Erwin Pröll und mich passt kein Blatt Papier", sagt er in "News". Anders als Kurz nimmt er, verurteilt zum Biss in den sauren Apfel, sein Schicksal stoisch an. "Ich habe nie genaue Pläne gemacht, sondern immer geschaut: Was bietet sich an? Passt das in mein derzeitiges Umfeld? Dann habe ich Ja oder Nein gesagt."

Das kommt davon, wenn einer nie genaue Pläne macht – auf einmal ist er Innenminister, noch rascher als Kurz Außenminister. Er habe, wie viele sagen, die letzten Jahre alle Weichen gestellt, um Erwin Pröll zu beerben. Wenn man ihn im Vorjahr bei Veranstaltungen mit einem koketten "Darf man schon Herr Landeshauptmann sagen?" begrüßte, begannen seine Augen zu strahlen. Ein Regierungsjob in Wien stand nie auf Sobotkas Agenda. Aber eine Agenda ist ja kein genauer Plan.

Jetzt strahlt er in Wien. Landeskenner meinen, Sobotka hätte nun die Chance, sich von Erwin Pröll zu emanzipieren und sein ganzes Format als Politiker zu zeigen. Er könne seinen Ruf, der Mann fürs Grobe zu sein, ablegen. Aber kann man sich in der ÖVP von Erwin Pröll emanzipieren? (Günter Traxler, 23.4.2016)