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In Hannover warten die Demonstranten bereits auf den Besuch von US-Präsident Barack Obama, der vor seinem Abtritt in Europa auch zu einem letzten Rettungsversuch für TTIP antritt.

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Wenn Barack Obama die Hannover-Messe besucht, wird er für TTIP werben, die "Transatlantic Trade and Investment Partnership" mit der Europäischen Union. Doch in Washington wachsen die Zweifel, dass der US-Präsident das Abkommen noch unterzeichnen kann, bevor er im Jänner aus dem Amt scheidet. Ein Grund für die Skepsis ist die amerikanische Stimmungslage, in der "Free Trade" für viele Wähler zum Reizwort geworden ist.

Um den Wandel zu ermessen, könnte man mit Thomas Friedman beginnen, dem preisgekrönten Kolumnisten der New York Times, der 1997 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos noch klang wie ein Triumphator. Nichts präge den Planeten derzeit mehr als die Globalisierung, sagte Friedman, und wenn man ein Land konzipieren müsste, das am besten geeignet wäre, auf diesem Planeten zu konkurrieren, dann sähe es aus wie die Vereinigten Staaten. "Die Globalisierung, das sind wir." Vergessen waren Prognosen, die Japan mit seiner geballten Effizienz im ungebremsten Aufstieg und die USA im schleichenden Niedergang sahen. Amerikanische Politiker strotzten geradezu vor Selbstbewusstsein. Obwohl Nafta, das 1994 in Kraft getretene Freihandelsabkommen mit Kanada und Mexiko, zu keiner Zeit unumstritten war, dominierten eindeutig die optimistischen Töne.

Scharfer Wind aus allen Richtungen

Und heute? Donald Trump will Importe aus China mit einem 45-Prozent-Zoll belegen und stempelt die Befürworter vorangegangener Handelsverträge zu naiven Amateuren. Bernie Sanders bezeichnet Nafta als schweren Fehler, den man nicht wiederholen dürfe, indem man TPP draufsattle, die Partnerschaft mit elf Pazifikanrainern, die TTIP eigentlich vorausgehen soll, zumal darüber bereits sehr viel länger verhandelt wird als über den Pakt mit den Europäern. "Es ist noch schlimmer, als ich dachte", urteilte der Senator aus Vermont nach der Lektüre der sechstausend Seiten des noch zu signierenden Paragrafenwerks.

Auch Hillary Clinton, von Sanders nach links gedrängt, lehnt TPP inzwischen ab, was in ihrem Fall zynisch klingt, hatte sie die Vereinbarung doch noch den Goldstandard der Handelsverträge genannt, als sie Chefin des State Department war. Wie tief der Sinneswandel geht, lässt sich an einer aktuellen Studie des Pew-Instituts in Washington ablesen. Noch vor zwei Jahren hielten 59 Prozent der Befragten Freihandelsverträge für eine gute Sache, während 30 Prozent diese ablehnten und elf Prozent weder dafür noch dagegen waren. Mittlerweile ist der Anteil der Befürworter auf 51 Prozent zurückgegangen, der der Gegner auf 39 Prozent gestiegen.

Trend zum Protektionismus

Hinzu kommt ein Trend, auf dem Trump zum einen aufbaut und den er zum anderen noch verstärkt: Es sind die Republikaner, die mehr und mehr zu einer Partei der Free-Trade-Skeptiker werden. Nicht zuletzt liegt es am Wandel an der Basis. Leute, die noch vor zwei Jahrzehnten mit den Demokraten sympathisierten, sind inzwischen zu den Konservativen übergelaufen, oft ehemalige Industriearbeiter aus dem amerikanischen Kleinstadtmilieu.

Und in dem Maße, wie sich die "Grand Old Party" zu einer Partei älterer weißer Männer entwickelt, wird sie anfälliger für protektionistische Tendenzen. Wie US-Ökonomen vorrechnen, büßte die amerikanische Wirtschaft allein zwischen 1999 und 2011 fast sechs Millionen Industriearbeitsplätze ein. Zu einem Fünftel ist das Minus der Billigkonkurrenz aus China geschuldet, wobei sich die Folgen auf jenen "Rostgürtel" der Old Economy konzentrieren, der sich von Pennsylvania über Ohio und Indiana bis nach Illinois zieht. Kein Wunder, dass Trumps Parolen gerade dort auf fruchtbaren Boden fallen. (Frank Herrmann aus Washington, 23.4.2016)