Bargeld wird weniger werden, glaubt Bankenexperte Penzel.

Foto: Foto: Privat

Bild nicht mehr verfügbar.

Es sind vor allem US-Riesen, die den Prozess vorantreiben.

Foto: AP/Eric Risberg

Die Möglichkeiten, ohne Bargeld zu bezahlen, werden mehr. Vor allem US-IT-Riesen treiben den Prozess voran, sagt Hans-Gert Penzel. Er beschäftigt sich an der Uni Regensburg mit dem Thema Bankeninnovation. Mit Apple Pay – so seine Einschätzung – kam das erste System auf den Markt, das im Komfort oberhalb von Bargeld liegt.

STANDARD: Was ist von der österreichischen und deutschen Extremposition, Bargeld mit bürgerlicher Freiheit gleichzusetzen, zu halten?

Penzel: Bargeld trägt sicher eine Komponente bürgerlicher Freiheit, im Sinne von garantierter Anonymität, in sich. Aber man kann diese auch über elektronisches Geld erreichen. Die Frage ist, wie der Gesetzgeber das regelt. Auch elektronische Zahlungen dürfen nicht ohne weiteres nachverfolgt werden.

STANDARD: Ist die Debatte um die Abschaffung von Bargeld nicht ohnedies eine Scheindebatte? Immerhin werden die technischen Möglichkeiten zur elektronischen oder mobilen Zahlung laufend mehr und besser. Gleichzeitig schrumpft die Zahl an Bankfilialen. Bargeld wird damit wohl ganz ohne Verbot zurückgehen?

Penzel: Da sehen Sie nur einen Teil der Realität. Es kommen neue Infrastrukturen über die Einzelhändler hoch. Sie schaffen mehr neue Geldausgabe-Möglichkeiten, als Bankfilialen geschlossen werden. Wir haben in Deutschland ein Fintech namens Bargeld.de. Das ermöglicht es, an der Ladenkasse eines Supermarktes oder einer Tankstelle Geld einzuzahlen, oder sich auszahlen zu lassen. Bargeld.de hat heute bereits mehr als 10.000 Filialstandorte. Die Zahl der Punkte, an denen Sie Bargeld ein- und auszahlen können, wird sich über die nächsten Jahre dramatisch erhöhen.

STANDARD: Gibt es dafür Akzeptanz? An der Kasse will doch jeder so schnell wie möglich sein.

Penzel: Für die Ladenketten ist das ein Kundenbringer, und es hilft bei der Bargeldentsorgung. Wenn dort mehr aus- als eingezahlt wird, was die Regel ist, dann hat man gleichzeitig das Bargeldentsorgungsproblem reduziert. Dies ist ein durchaus teures Problem, denn der Vertrag mit unabhängigem Gelddienstleistern kostet auch Geld. Der Handel hat ganz klar ein Interesse, so etwas anzubieten.

STANDARD: Schön langsam kommt auch mobiles Bezahlen in Gang...

Penzel: Bisher konnten die Händler keine wirklich komfortablen Lösungen anbieten. Mit Apple Pay kam das erste wirklich in allen Teilen komfortable System auf den Markt. Übrigens wieder ein US-amerikanisches System. Das ist eine Lösung, das im Komfort tatsächlich zum ersten Mal oberhalb von Bargeld liegt, und mit diesen Eigenschaften wird es sich über die Zeit durchsetzen können. Es muss nicht unbedingt Apple Pay sein, aber ein oder mehrere Mobile-Payment-Systeme mit vergleichbaren Eigenschaften.

STANDARD: Welche Kräfte stecken hinter der Bargelddiskussion?

Penzel: Die Gruppe der großen Internet-Anbieter, die wir "Oligarchen des Internets" nennen, treiben den Prozess an. Apple mit Apple Pay, Paypal ist in den Startlöchern des mobilen Zahlens, Google hat mit Android Pay eine Lösung auf dem Markt, Facebook bietet einen Pay-Button. Auch Telekom-Unternehmen haben nicht aufgegeben, Zahlungen anzubieten. Die dritte Gruppe ist der Handel, getreu dem Motto: Warum soll ich Zahlungsströme in andere Hände geben? CurrentC, das wichtigste System in den USA, wurde von Einzelhändlern unter Führung von Walmart gegründet. Auch die Kreditkartenunternehmen spielen oft mit.

STANDARD: Und Banken?

Penzel: Natürlich. Aber bei Smartphones passiert nicht viel. Die Banken in Deutschland und Österreich setzten auf die Karte mit NFC. Aber das ist kein intelligentes Gerät. Es wird eher ein Jahrzehnt als ein Jahr dauern, bis sich mobiles Zahlen durchsetzt.

STANDARD: Warum haben Schwedens Banken so früh Lösungen geboten und wollten mit deutlichem Druck weg vom Bargeld?

Penzel: Die Schweden sind in ihrer Grundmentalität angloamerikanischer und offener für Veränderungen. Sie haben ein ganz anderes Verhältnis zum Datenschutz. Sie können dort die Steuerklärung ihres Nachbarn beim Finanzamt einsehen. Damit gab es das Thema der Anonymität – was in der Tat ein Thema ist – in dem Maße nicht. Dazu kommt die positive Einstellung der Schwedischen Reichsbank.

STANDARD: Wie lautet die Rechnung für Banken?

Penzel: Die Bargeld-Handling-Kosten für eine Bank sind hoch. Die Größenordnung liegt bei einem Faktor von mindestens vier oder fünf, verglichen mit bargeldlosen Verfahren. Wenn man diesen Kostenblock loswerden kann, wird man ihn gerne los. Man möchte allerdings darüber natürlich die Kunden nicht verlieren.

STANDARD: Unter den Ökonomen sprach sich Kenneth Rogoff sehr deutlich für eine Abschaffung aus, Peter Bofinger ist erschrocken zurückgerudert, als er merkte wie hellauf entsetzt viele nach seinem Vorstoß zur Bargeldabschaffung waren.

Penzel: Aus Sicht der Volkswirtschaftstheoriestört Bargeld immer. Wer Bargeld hortet, unterbricht den Geldschöpfungsmechanismus, das heißt die Möglichkeit, an anderer Stelle Kredite zu schaffen. Bargeld schafft damitauch ein Element der Unkontrollierbarkeit in einer Geldmengensteuerung. Insofern liegt es nahe, dass die Zentralbank zunächst einmal argumentiert, am besten wäre es, wir hätten kein Bargeld. Aber das ist aufgrund des geringen Anteils von Bargeld an der Geldmenge kein schlagendes Argument.

STANDARD: Inwieweit spielt das Argument, dass mit Negativzinsen Schulden schmelzen, eine Rolle?

Penzel: Wenn wir noch stärkere Negativzinsen haben, wird es irgendwann für Banken billiger, Geld in den Tresoren vorzuhalten, und das würde aus Zentralbanksicht wieder den normalen kontrollierbaren Geldkreislauf stören. Es gibt sicherlich eine Motivation, den Bargeldumlauf – allerdings in großen Scheinen – zu reduzieren. (Regina Bruckner, 25.4.2016)