Marco Michael Wanda sagt mit asthmatischer Krächzstimme, dass die Welt ein Ort ist, der einmal gut und ein anderes Mal schlecht ist.

Foto: APA/HANS PUNZ
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Wien – Eines kann man nicht behaupten. Dass er sich verstellt. Der ab der dritten Nummer gezeigte Fischbauch namens Wanda ist ein Mann der klaren Worte. Marco Fitzthum, alias Marco Michael Wanda krächzt: Ans, zwa, drei, vier, komm geh auf eine flüssige Jause mit mir. Er krakeelt: Saufen statt raufen. Er japst: Alkohol ist der Retter in der Not. Er zwischenansagt: Wem heut net schlecht ist, des kann kein Guter sein. Man resümiert: Morgen, ja, morgen fang ich ein neues Leben an. Mitschwingen tut: Angesoffen sein, des woar amoi wos, heut is des Leben bedeutungslos. Kraftvoll in den Untergang: Jo, jo, jo, der Durst bringt mi um.

Wanda sind jung, ihre Musik ist fetzig. Sie greifen auf der verzerrten E-Gitarre die Grundakkorde wie C- oder G-Dur tatsächlich wie die Schülerbuben mit 'Ta-tü-ta-ta, die Feuerwehr ist da' oder der Dschodscho und Get Back von den Beatles. Einfach so. Die Texte aber sind so alt und -klug wie die Welt.

Bukowski mit Asthmaanfall

Wanda ist die erste Band in der Geschichte des extra für die Fans, die Vorstadt und das Donauinselfest ungefähr alle zehn Jahre wiedergehenden Austropops, der man nicht nachtrauern wird müssen, weil sie das für einen selbst erledigt. Nach Jahren des kalten Entzugs schmeckt das auch ein wenig nach Falco in der Raucherzone, Boris Bukowski mit Asthmaanfall und Motorboot. Motorboot, rudern tua i nur zur Not.

Fast Food mit Halbwert. Es geht bei diesen fünf jungen Menschen in alten, nach Turnsaal riechenden Wildlederjacken eher um die mindestens ebenso alte, heute nur noch wenig beschworene und noch weniger gern gesehene Feier des Versagens, beziehungsweise der Verzückung im Rausch. Rausch ist Unvernunft. Ein Aufgewärmter ist Rebellion gegen das System. Er ist in harten kalten Zeiten vom Aussterben bedroht. Funktionieren ist wichtig. Funktionieren ist Oarsch. Wanda sind Kulturbotschafter des Nachs zu Lebzeiten. Sie versagen, ohne zu verzagen.

Branntweiner-Busen und Nabelblässe

Wanda um ihren sehr bald während des umjubelten Auftritts von den Problemzonen her gesehenen, Branntweiner-Busen und Nabelblässe zeigenden Sänger und charismatischen Frontmann Marco Fitzthum sind neben dem noch maskulineren Heimkehr-Hit Ham kummst von Seiler & Speer der Hammer, mit dem man auf den Ambros schlägt. Volkes Stimme. Geh aussa do, du Lyrik. Wandas Texte werden in der Stadthalle intensiv mitgesungen. Lieder in Muttersprache schreiben, die das Publikum annimmt, ist eine hohe Kunst.

Das ist auch fix: Feste Nahrung ist der Feind des Rock'n'Roll. Wenn man vernünftig leben will, kann man Pülchermüsli durch Pinot Noir oder einen Cuvée durch die Hausmarke ersetzen. Man muss es aber nicht. Wanda kugeln sich auch am Boden. Die Lieder stecken voller kleiner Wahrheiten, die der Gassenhauer in sich birgt. Oft schwappt der Rotwein ein wenig über. Das macht aber nichts.

Diese durchaus auch altertümliche Musik, die mit Akkordfolgen bestritten wird, die man einst für Rhythmusmessen und Evergreens wie Die Erde ist schön, es liebt sie der Herr oder Komm, sagt es allen weiter gelernt hat, ist massentauglich, ohne den blöden Zeigefinger zu heben. Wanda sagt nicht, dass die Welt ein guter oder schlechter Ort ist.

Massenkaraoke in der Stadthalle

Wanda sagt mit asthmatischer Krächzstimme als Zucchero piccolo oder Maximo Bryan Adams, dass die Welt ein Ort ist, der einmal gut und ein anderes Mal schlecht ist. Ans, zwa, drei, vier, es ist so schön mit dir. Den Rest kann man in der Wissenschaftsbibliothek bei Suhrkamp nachlesen. Apropos Adorno: "Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen."

Wanda spielen zwei, drei Jahre nach ihren Anfängen vor vier, fünf Handvoll gottergebenen und jede Woche zumindest einmal zwischenduschenden Fans in Wiener Gürtellokalen jetzt mit ihren vollständig wiedergegebenen Alben Amore und Bussi vor einer Kulisse, die zum Tagesgeschäft im Bereich Bono, U2 und kleine Clubkonzerte vor achttausend engen Haberern gehört.

Man hat im Rahmen eines für österreichische Bands unterhalb von Fendrich und Parov Stelar befindlichen Akts des Wahnsinns nicht nur eine betreute Kreuzfahrt im kommenden Herbst im Mittelmeer in Aussicht gestellt bekommen. Das Massenkaraoke in der Wiener Stadthalle zeigt auch, wie eng sich ein großes Publikum zu binden bereit ist – wenn die Musik nur ordentlich freundschaftsmäßig und in der Sprache des einfachen Volkes daherkommt.

Sänger Marco hat Sprachkunst auf der Uni studiert, könnte also im Musenhain den dicken Macker mit der größten Lyrik-App markieren. Er hat sich aber für den geraden Weg im Reimzwang entschieden. Dieser Weg ist kein leichter. Einfach ist schwer. Es gelingt ihm. Einfach. Der Saal riecht jetzt nach Turnsaal mit Bier. Die Luft hängt sich rein wie ein Kater für junge Männer. Morgen wird nicht locker von der Hand gehen. Auseinandergehen ist schwer. (Christian Schachinger, 23.4.2016)