Chinesen sind wütend, aber oft wenig überrascht, wenn bekannt wird, wie ihre Unternehmen aus Profitgier haarsträubende Skandale produzieren. Gerade wurden kriminelle Handelspraktiken mit schlechten Impfstoffen enthüllt. 357 Funktionäre waren beteiligt, 202 wurden schon festgenommen.
Doch der Volkswagen-Gruppe, die heute fast jedes zweite ihrer weltweit verkauften Fahrzeuge in der Volksrepublik ausliefert, hatte Chinas Öffentlichkeit Betrug in großem Stil niemals zugetraut. Monatelang wurde das "Dieselgate" der Wolfsburger ignoriert. Ein Grund war auch, dass es China kaum betraf. Peking hatte die Einfuhr von Dieselautos immer verboten.
Zerstörtes Märchen
Mit nur 1950 vom Schwindel betroffenen Fahrzeugen ist China ein Schlusslicht unter allen geschädigten Nationen. Doch der nicht endende Skandal, der durch die jüngsten Entwicklungen am Wochenende auch in China für neue Schlagzeilen sorgte, schadet dem Image der Wolfsburger. Die Wochenzeitung für Rechtswesen Fazhi Zhoumo schrieb, dass ihr Verhalten "bei uns das Märchen von ,Made in Germany' zerstört hat. VW war immer der Edelstein in dieser Krone". Der Konzern mache seit Anfang 2016 auf internationalen Märkten Verluste. "Nur bei uns geht es mit ihm voran. Wir Chinesen geben Volkswagen Gesicht."
Entschuldigung auch in China
Wie lange noch kann VW von seinem guten Ruf in China zehren? Die Frage stellt sich zum Auftakt der am Montag startenden und bis 4. Mai dauernden internationalen Pekinger Automesse. 800.000 Besucher werden von den 2000 Ausstellern erwartet, Volkswagen ging sicherheitshalber vorab an die Öffentlichkeit: Vorstandschef Matthias Müller entschuldigte sich vergangene Woche für Dieselgate in einem Interview mit China Daily erstmals auch bei chinesischen Kunden.
Weil Dieselgate in China kein wirklicher Klotz am Bein des Konzerns ist, wollen die Wolfsburger rasch wieder Gas geben. Die Gruppe braucht aus China ein positives Feedback, nachdem ihre Verkäufe 2015 auch dort einbrachen und VW von General Motors abgehängt wurde. Im ersten Quartal 2016 konnte der Konzern sich wieder aufrappeln und seine Verkäufe um 6,4 Prozent auf 955.500 Autos steigern. Ein Teil des Erfolges ist chinesischen Steuererleichterungen für alle 1,6-Liter-Wagen bis Jahresende geschuldet.
Mit 6,4 Prozent lag die VW-Gruppe unter dem Wachstum des Gesamtautomarkts in China, der von Jänner bis März um 9,8 Prozent stieg. China-Vorstand Jochem Heizmann setzt darauf. Dass der "positive Trend im Gesamtjahr anhält und der Absatz der Volkswagen-Gruppe plus/minus auf gleicher Höhe wie das BIP mitwächst." Chinas Regierung peilt heuer ein Wirtschaftswachstum von mehr als 6,5 Prozent an. (Johnny Erling aus Peking, 25.4.2016)