Demonstranten warfen in Skopje Farbbeutel auf mehrere Gebäude der Regierung und der Regierungspartei VMRO-DPMNE.

Foto: AFp / rOBERT / aTANASOVSKI

Bild nicht mehr verfügbar.

Ali Ahmeti, hier als Zweiter von links neben Ex-Premier Nikola Gruevski, war auch an den Verhandlungen unter Leitung von EU-Kommissar Johannes Hahn (2. v. re.) beteiligt.

Foto: AP / Boris Grdanoski

STANDARD: Meine erste Frage betrifft die Wahlen.

Ali Ahmeti: Welche Wahlen? Machen Sie Scherze mit mir?

STANDARD: Ist Ihre Partei DUI nun dafür, dass am 5. Juni Wahlen stattfinden, oder nicht?

Ahmeti: Die DUI will, dass alle Kriterien erfüllt werden, damit von allen unstrittig glaubwürdige Wahlen akzeptiert werden können – auch von der Internationalen Gemeinschaft. Wir, die vier Parteien, hatten uns dafür entschieden, die Wahlen auf den 5. Juni zu verschieben. Aber nun ficht die Opposition die Arbeit der Wahlkommission an. Für das Land wäre es nicht gut, wenn man ohne Opposition in die Wahlen gehen würde. Die Wahlkommission müsste rauskommen und sagen, wie vernünftig die Forderungen der Opposition sind. Das müsste auch von den internationalen Vertretern kommentiert werden. Es ist eine chaotische Situation im Land. Die Verwaltung funktioniert nicht. Jeder wartet.

STANDARD: Zurzeit will nur die VMRO-DPMNE ganz sicher die Wahlen am 5. Juni abhalten.

Ahmeti: Alle vier Parteien haben sich darauf geeinigt, dass vorgezogene Wahlen stattfinden sollen. Alle Seiten müssen sich an die Vereinbarung halten. Wozu haben wir die sonst geschlossen? Wird es zu einer eingeführten Praxis, dass wir Vereinbarungen treffen und sie dann nicht respektieren, wenn es gerade zu unser Tagespolitik passt?

STANDARD: Die Opposition sagt, dass die Amnestie des Präsidenten am 12. April die Vereinbarung verletzt hat. Soll Gjorge Ivanov diese zurücknehmen?

Ahmeti: Die Entscheidung des sogenannten Präsidenten ist nicht akzeptabel, sie hebt die Rechtsstaatlichkeit in diesem Land auf, und sie sollte zurückgenommen werden. Es wäre gut, wenn er das machen würde, besser spät als nie.

STANDARD: Wieso nennen Sie Ivanov einen "sogenannten Präsidenten"?

Ahmeti: Weil er nicht von den Albanern gewählt wurde. Bei den Präsidentschaftswahlen haben wir nach einem Konsenskandidaten gefragt. Wir haben von Beginn an seine Fähigkeit bezweifelt, ein Präsident zu sein.

STANDARD: Können sich die vier Parteien wieder treffen, wenn Ivanov diese Amnestie zurückzieht?

Ahmeti: Die Lösung wäre, den Dialog hier im Land wieder zu beginnen. Der Staat sollte nicht in eine tiefere Krise hineinrutschen. Wenn es keine Treffen gibt, um die Krise zu überwinden, wird das sehr schwierig.

STANDARD: Sollte der Dialog hier stattfinden und nicht in Wien?

Ahmeti: Natürlich hier, mit der Mediation der Botschafter der EU und der USA. Er sollte morgen beginnen. Besser heute.

STANDARD: Haben Sie Sorge, dass es zu gewalttätigen Ausschreitungen kommen könnte?

Ahmeti: Nichts kann grundsätzlich ausgeschlossen werden.

STANDARD: Die Amnestie von Ivanov hat hauptsächlich Politikern der VMRO-DPMNE gedient, gegen die strafrechtlich ermittelt wird. Von der DUI ist keiner auf der Liste der begnadigten Politikern.

Ahmeti: Es hat allen Parteien gedient – nur meiner Partei, der DUI, nicht. Wir sind diskriminiert, weil wir nicht auf der Liste sind. (lacht)

STANDARD: Wollen Sie auf die Liste?

Ahmeti: Nein. (lacht)

STANDARD: In Mazedonien stehen sich zwei Parteien gegenüber, die VMRO und die SDSM. Fürchten Sie eine Ukrainisierung?

Ahmeti: Es ist nun 14 Monate her, dass ich das erste Mal gesagt habe, dass die Ukraine von hier nicht weit weg ist. Ich habe gesagt, dass wir gemeinsam die Krise bewältigen und an den interethnischen Beziehungen arbeiten müssen. Aber zu diesem Zeitpunkt haben manche der Politiker und Meinungsmacher dies als einen Scherz betrachtet. Die Dinge laufen nicht gut, und ich glaube nicht, dass das Problem nur in Mazedonien liegt. Die Krise geht über Mazedonien hinaus.

STANDARD: Sind geopolitische Interessen involviert?

Ahmeti: Ja, das denke ich.

STANDARD: Was denken Sie über die Verhandlungen mit den EU-Vertretern?

Ahmeti: Ich denke, dass Johannes Hahn und die drei Parlamentarier einen guten Job gemacht haben. Doch weder Herr Hahn noch die drei Parlamentarier sind schuld an der Lage. Denn wir – die vier wichtigsten Parteien – haben die Vereinbarung nicht respektiert. Wir hätten sie umsetzen sollen.

STANDARD: Einiges Material von den abgehörten Telefongesprächen ist an die Öffentlichkeit durchgesickert. Ihre Partei hat ihre Regierungsmitglieder daraufhin ausgetauscht. Sind Sie zufrieden mit der Arbeit der Sonderstaatsanwaltschaft?

Ahmeti: Ich glaube nicht, dass die Sonderstaatsanwaltschaft etwas durchsickern hat lassen, ich glaube dass es von Leuten kommt, die früher Kontakt mit den Abhörprotokollen hatten. Die Materialien waren ursprünglich in den Händen von sehr unverantwortlichen Leuten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie auf dem Schwarzmarkt gefunden werden können. Das kann in Mazedonien, Kosovo, Albanien, Serbien oder in der Türkei verkauft werden.

STANDARD: Die Polizei ist mit der Schließung der Balkanroute und mit den täglichen Demonstrationen beschäftigt. Wie lange ist sie in der Lage, diese Aufgaben zu bewältigen?

Ahmeti: Wenn es so weitergeht, wird der Staat bald müde sein.

STANDARD: Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der Staatskrise und der Schließung der Balkanroute, die auch von Österreich befördert wurde?

Ahmeti: Ich möchte nicht in Verschwörungstheorien involviert werden. Aber natürlich hat die Flüchtlingssituation Einfluss und macht die Situation schwieriger. Europa braucht ein stabiles Mazedonien. Insbesondere Brüssel sollte dabei helfen, diese Krise in den Griff zu kriegen. Wir sind nicht weit weg. Wir sollten gemeinsam kämpfen, um gute Standards zu errichten. Wir sind zu klein, um nicht Teil des Vereinten Europas zu sein.

STANDARD: Bei den Wahlen treten auch neue albanische Parteien an. Was ist Ihr Ziel für die DUI bei den Wahlen? Und welche Koalitionen würden Sie nach der Wahl eingehen?

Ahmeti: Wer auch immer die Wahlen gewinnt, muss die Nato-Integration steuern, die Beitrittsverhandlungen mit der EU starten und gute nachbarschaftliche Beziehungen aufbauen sowie auch die Frage der albanischen Sprache als eine der Säulen der Ohrid-Vereinbarung lösen. Unter diesen Umständen ist es nicht wichtig, ob die DUI gewinnt oder nicht.

STANDARD: Wenn es um die Nato-Integration geht, hängt es vor allem davon ab, wie viel Druck die USA auf Griechenland ausüben, damit Griechenland beim Namensstreit einlenkt. Es gab Anzeichen, dass es eine neuerliche Nato-Einladung geben könnte. Dadurch fühlt sich Russland vielleicht gefordert. Hat das mit der Staatskrise zu tun?

Ahmeti: Darf ich Bismarck interpretieren? Der, der Mazedonien regiert, regiert den Balkan, und wer den Balkan regiert, regiert Europa. (Adelheid Wölfl, 24.3.2016)