Erstmals geht ein rechtspopulistischer Politiker als Favorit ins Finale einer Präsidentschaftswahl: Norbert Hofer rechts im Bild mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.

FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER

Österreich ist ein kleiner europäischer Staat, und die Kompetenzen des Bundespräsidenten sind – zumindest in der Realverfassung – ziemlich limitiert. Dennoch kann diese Wahl beträchtliche Folgen für Europa haben. Denn erstmals seit 1945 hat ein rechtspopulistischer Politiker in einem EU-Staat die erste Runde einer Präsidentschaftswahl gewonnen und geht als Favorit ins Finale. Kein Wunder, dass sich Geert Wilders und Marine Le Pen geradezu begeistert zeigen vom furiosen Erfolg ihres Parteifreunds.

Trend zum Patriotismus

In Frankreich, wo man die FPÖ nach wie vor als rechtsextrem einstuft und ihr nicht das harmlosere Etikett des Rechtspopulismus umhängt, wird die österreichische Situation genau verfolgt. Denn schon ganz zu Beginn des 21. Jahrhunderts folgte auf den Einzug der FPÖ in die österreichische Regierung ein fulminanter Erfolg von Jean-Marie Le Pen, dem Gründer und langjährigen Chef des Front National, in der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl.

Und auch jetzt hofft dessen Tochter Marine, die in den Umfragen so gut im Rennen liegt wie nie zuvor, auf einen ähnlichen Effekt bei der Wahl 2017. Freilich wirkt der Erfolg von Norbert Hofer nicht unmittelbar auf das Wahlverhalten der Franzosen, aber einen zusätzlichen Schub bedeutet er allemal. Nicht umsonst spricht Marine Le Pen in den Medien ihres Landes bereits davon, dass es einen historischen Trend Richtung Patriotismus und gegen die EU in vielen Staaten gebe. Auf dieser Welle will auch sie zum Sieg surfen.

Kategorische Ausgrenzung

Einen wesentlichen Unterschied gibt es derzeit allerdings noch zwischen Österreich und Frankreich. Die französischen Eliten haben stets eine Zusammenarbeit mit dem Front National kategorisch ausgeschlossen, während in Österreich auf mehreren Ebenen mit der FPÖ kooperiert wurde und wird. Deren Hereinnahme in die Regierung durch Wolfgang Schüssel und den Verlierer der aktuellen Wahl, Andreas Khol, hat ein Tabu im Umgang mit rechts außen gebrochen, das in Frankreich, aber auch in Deutschland – wo die AfD als Regierungspartner nicht infrage kommt – noch aufrecht ist.

Wie lange das hält, ist aber fraglich, denn je mehr Stimmen der Front National auf sich vereinen kann, umso schwieriger wird die kategorische Ausgrenzung zu halten sein. Auch die Tatsache, dass es in Frankreich in der Regel einen Schulterschluss aller anderen Parteien in der zweiten Runde gegen Le Pen und ihre Partei gibt, ist nicht auf ewige Zeiten in Stein gemeißelt. Schon bei den letzten Regionalwahlen wurde diese Position von manchen Republikanern infrage gestellt.

Die Renationalisierungsfront Europas

In Österreich kommen ÖVP und SPÖ gar nicht auf die Idee, eine Parteiempfehlung gegen Hofer abzugeben. Wie könnten sie auch – wo sie doch in Oberösterreich und im Burgenland mit seiner Partei prächtig und in Eintracht koalieren. Auch diese Tatsache regionaler Koalitionen mit rechts außen wird in anderen EU-Staaten immer öfter kopiert.

Sollte der Freiheitliche tatsächlich Bundespräsident werden, so dürfen seine Freunde in Frankreich, den Niederlanden, in Belgien und Italien jedenfalls mit zusätzlichem Aufwind rechnen. Deren antieuropäische Positionen werden dadurch weiter gestärkt. Rechnet man die Regierungen in Ungarn und Polen sowie die Trends in weiteren Ländern mit ein, so wird die Renationalisierungsfront Europas eine immer stärkere Kraft. Sowohl im Europäischen Rat als auch im EU-Parlament könnten sie gegen 2020 tonangebend werden, wenn die proeuropäischen Akteure weiterhin dahinlavieren und keine Lösungen für die derzeitigen Krisen finden. (Markus Pausch, 25.4.2016)