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Die Umfragen zur Bundespräsidentschaftswahl waren in etwa so präzis, als hätte man im Februar eine Wettervorhersage für die zweite Aprilwoche 2017 angefertigt.

Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Obwohl sich offiziell niemand als FPÖ-Wähler deklariert, verzeichnet die Partei einen Erdrutschsieg nach dem anderen und erklimmt immer schneller die Spitzen der politischen Ämter in Österreich. Ob das auch beim höchsten politischen Amt gelingen wird, steht noch in den Sternen, doch die Chancen stehen einmal mehr sehr viel besser, als man zu aller Anfang angenommen hatte.

Von der ersten bis zur letzten Umfrage zeigten fast alle Ergebnisse einen deutlichen Vorsprung für Alexander van der Bellen. Bereits im März war sich ein Großteil meines Freundes- und Bekanntenkreises sicher, dass das Kürzel "VdB" für unseren zukünftigen Bundespräsidenten stehen würde. Am Wahlsonntag selbst lese ich die ersten Zwischenstände der Auszählungen. Norbert Hofer hat einen eindeutigen Vorsprung, in einem Ortsteil meiner Nachbargemeinde, die kein Einzelfall bleiben sollte, hat er gar die Absolute geknackt. Die Wahlumfragen waren also in etwa so präzis, als hätte man im Februar eine Wettervorhersage für die zweite Aprilwoche 2017 angefertigt.

Wahlfaktor Prognosen

An diese Problematik konnten wir uns im Laufe der vergangenen Jahre bereits gewöhnen, doch verbirgt sie einen gefährlichen Nebenaspekt: das taktische Wählen. Viele meiner Bekannten, zugegeben auch ich selbst, haben sich bei der Wahl weniger von ihrer Ideologie leiten lassen, sondern bei ihrer Entscheidung der Prävention eines Kandidaten, meistens Hofer, Vorrang gegeben. Auch viele Van-der-Bellen-Wähler, die sich seines Sieges ohnehin schon sicher waren, sind dann doch lieber auf eine taktische Lösung umgestiegen, um eine allzu polarisierende Stichwahl zu verhindern. Der ausschlaggebende Aspekt dafür waren die großen Umfragen, die den zweiten Platz von Hofer und Irmgard Griss umkämpft sahen, weshalb die Juristin für alle Anti-FPÖ-Gesinnten eine attraktive Lösung bot.

Dass die Realität anders aussieht, mussten wir wohl alle auf die bitterste Art und Weise erfahren. Im Endeffekt haben die Umfragen genau das Gegenteil dessen bewirkt, was so viele verhindern wollten, nämlich den Sieg Hofers. Man könnte also sagen, dass die Umfragen der vergangenen Wochen und Monate das Wahlverhalten der Wähler ziemlich manipuliert haben.

"Hoch gwinn' mas nimma"

Eine solche Verfälschung ist für niemanden wünschenswert. Van der Bellen hat sich dadurch wohl zu früh auf seinen noch nicht gewonnen Lorbeeren ausgeruht, Rudolf Hundstorfer konnte man die Frustration des vergangenen Wahlkampfes sichtlich anmerken, was diesem wiederum auch nicht besonders förderlich gewesen sein konnte. Dass das niemandem entgangen ist, bemerkte auch schon Politologe Peter Filzmaier in der "ZiB 2" nach der großen "Elefantenrunde" ("Hoch gwinn' mas nimma.").

Auch Andreas Khol wurde, wie es bei diesem Wahlkampf für die beiden Kandidaten der Regierungsparteien typisch war, von Anfang an nur als großer Verlierer deklariert, dem ohnehin keine Chancen eingeräumt werden konnten. Eine Stimme für Rot oder Schwarz waren bei dieser Wahl ein Tabu, eine vergebliche Mühe. Auch wenn ich persönlich kein Freund von politischen "Was-wäre-wenn"-Fragen bin, so hätte ich meine Wahl lieber getroffen, ohne von einem öffentlichen Urteil geprägt gewesen zu sein.

Wieder auf das Bauchgefühl hören

Vielleicht sollten wir uns in Österreich endlich überlegen, solch überflüssige und negative Aspekte unserer politischen Landschaft wie Umfragen zu verbieten. Ja, dadurch steigt zwar die Anspannung in uns allen, weil uns Wählern nicht bereits Monate im vorhinein Daten vorliegen würden, doch könnten wir endlich wieder reinen Gewissens das wählen, was uns unsere innere Stimme sagt, und nicht irgendwelche Balken, Linien und Ziffern. Bei Wahlen würden wieder Gefühle, Sympathien und, allen voran, Kompetenzen einer Person oder Partei im Vordergrund stehen. Darauf sollte es doch in einer Demokratie schlussendlich ankommen, oder? (Lorenz Scharfmüller, 25.4.2016)