Wien – Im Schatten der Präsidentschaftswahl-Nachwehen gibt es Bewegung bei der Mindestsicherung. Sozialminister Alois Stöger versammelte am Montag die Soziallandesräte bei sich, um Kompromissvarianten auszuloten.
- Deckelung Am strittigsten war zuletzt vor allem der Wunsch von Teilen der ÖVP nach einer Deckelung der Mindestsicherung bei 1.500 Euro im Monat. Von dieser Obergrenze wären Familien mit zwei oder mehreren Kindern betroffen gewesen, die ausschließlich von der Mindestsicherung leben.
Nun wurde ein Vorschlag auf den Tisch gelegt, der zwar nicht auf eine betragsmäßige Deckelung hinausläuft, aber auf eine leichte Kürzung bei echten Großfamilien. Konkret sollen die Kinderzuschläge ab dem siebten Kind reduziert werden – von 15 auf zwölf Prozent des Mindestsicherungsgrundbetrags. De facto würde das natürlich nur ganz wenige Haushalte betreffen. Exakte Zahlen gibt es zwar noch nicht. Wiens Sozialstadträtin Sonja Wehsely zog aber einen Vergleich: Nur 0,4 Prozent der Bezieherhaushalte in Wien haben fünf oder mehr Kinder.
Die niederösterreichische ÖVP-Landesrätin Barbara Schwarz will nun prüfen, ob ihre Partei bei dem Vorschlag mitgehen kann. Andere ÖVP-Landesgruppen wie jene in Tirol, Vorarlberg oder Salzburg waren schon zuvor vom Deckelungswunsch abgerückt. - Flüchtlinge Nicht mehr verfolgt werde laut dem Büro von Schwarz der Vorschlag, anerkannte Flüchtlinge bei der Mindestsicherung schlechterzustellen. Darauf hatte vor allem ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka und die schwarz-blaue Landesregierung in Oberösterreich gedrängt. Bei subsidiär Schutzberechtigten (kein Asyl, dürfen aber nicht abgeschoben werden) gab es schon bisher einige Länder, die nur die (deutlich niedrigere) Grundversorgung gewährten. Das wird auch künftig möglich sein.
- Zuverdienst Um stärkere Arbeitsanreize zu schaffen, werden die Zuverdienstmöglichkeiten ausgeweitet. Derzeit gibt es einen sogenannten Wiedereinsteigerfreibetrag, der bei 15 Prozent des Nettoeinkommens liegt (mindestens aber 58 und maximal 140 Euro im Monat). In der Praxis spielte dieser Bonus aber kaum eine Rolle.
Künftig sollen die Bezieher bis zu sechs Monate lang ein Drittel der Mindestsicherung dazuverdienen dürfen, ohne dass die Ansprüche auf die Sozialleistung sinken. Ein Beispiel: Für Alleinstehende beträgt die Mindestsicherung derzeit 837,76 Euro. Diese Person dürfte also 276 Euro dazuverdienen, ohne dass sich der Anspruch reduzieren würde. Dieses Modell wurde von Niederösterreich vorgeschlagen, ist laut Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) aber mittlerweile Konsens unter allen Ländern. - Sachleistung Grundsätzlich einig ist man sich laut dem Minister auch beim Thema Sachleistungen. Die ÖVP hatte darauf gedrängt, zumindest 50 Prozent des Anspruchs nicht in Form von Geldleistungen zu gewähren. So eine generelle Regelung wird es aber nicht geben. Es wird, wie bisher, im Ermessensspielraum des Sachbearbeiters liegen, ob er auf Sachleistungen setzt. Es wird also möglich sein, dass die Behörden die Miet- oder Stromrechnung eines Mindestsicherungsbeziehers direkt bezahlen – und im Gegenzug weniger Mindestsicherung auszahlen.
In den nächsten Tagen soll nun geklärt werden, ob die Vorschläge endgültig unter Dach und Fach gebracht werden können. Mit Jahresende läuft jedenfalls der bisherige Bund-Länder-Vertrag aus.
Steigende Kosten
Von den ursprünglichen Verschärfungsvorschlägen der ÖVP bliebe jetzt jedenfalls nicht mehr viel übrig. Lopatka bekräftigte aber noch am Montag unter Verweis auf die steigenden Kosten den Reformbedarf. Wie berichtet, waren die Ausgaben aller Länder im Vorjahr um weitere 117 Millionen Euro auf 870 Millionen Euro gestiegen. Inklusive der Kosten des Bundes für AMS-Leistungen und Krankenversicherung habe man die Milliarde bereits überschritten. "Hier muss der Sozialminister die Notbremse ziehen", so Lopatka. (Günther Oswald, 25.4.2016)