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Verwandte der vermissten Studenten nahmen an der Präsentation des Berichts teil und protestierten gegen die schleißigen Ermittlungen.

Foto: REUTERS/Edgard Garrido

Mexiko-Stadt – Mit einer scharfen Kritik an der mexikanischen Justiz haben die ausländischen Ermittler im Fall der 43 verschwundenen Studenten am Sonntag ihre Mission beendet. Die Behörden hätten schlampig und schleppend ermittelt, Beweise unterdrückt, die Arbeit der unabhängigen Ermittler boykottiert, und die "historische Wahrheit" der mexikanischen Staatsanwaltschaft basiere auf unter Folter erpressten Geständnissen. So steht es in dem 608 Seiten langen Abschlussbericht, den die Expertengruppe in Mexiko-Stadt vorlegte. Sie decouvriert damit die wichtigste Achillesferse der mexikanischen Demokratie: das komplette Versagen des Rechtsstaats. 98 Prozent aller Straftaten in Mexiko bleiben ungesühnt.

Die Zusammenarbeit mit den Experten, die mit Zustimmung von Präsident Enrique Peña Nieto vor mehr als einem Jahr ins Land kamen, um die Ermittlungen zu unterstützen, wird auf Wunsch der Regierung beendet, ohne dass abschließend Klarheit über den Tathergang im südmexikanischen Iguala herrscht. 50 Prozent der Anfragen der Experten seien von den mexikanischen Behörden zudem nicht beantwortet worden, wichtige Elemente wie die Handykommunikation der Studenten in der Tatnacht seien nicht untersucht worden, bedauerten die Experten. Die Eltern der verschwundenen Studenten kritisierten den "Hinauswurf" der Experten. Die kolumbianische Ermittlerin Ángela Buitrago erklärte, es obliege nun der Gesellschaft, Druck auszuüben, um den Fall zu lösen.

Zuletzt stolperten die Ermittler über die Weigerung des Militärs, "Ausländern" über die Ereignisse Auskunft zu geben. Von ihrem technisch hochgerüsteten Kommandoposten aus hatten die Soldaten die Vorgänge verfolgt und ihre Vorgesetzten informiert, ohne jedoch einzuschreiten; die Gesprächsprotokolle und Aufzeichnungen sind unter Verschluss. Die Streitkräfte, die seit 2006 auf Bitte der Regierung den Krieg gegen die Drogenkartelle führen, haben sich ausbedungen, nicht von zivilen Gerichten zur Verantwortung gezogen zu werden, obwohl das laut dem Urteil des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofs illegal ist.

Zahlreiche Ungereimtheiten

Laut der offiziellen "historischen Wahrheit" wurden die 43 Lehramtsstudenten im September 2014 auf Anweisung des Bürgermeisters von Iguala von seiner Gemeindepolizei gejagt und festgenommen. Schließlich wären sie Killern des örtlichen Drogenkartells übergeben worden, die sie dann verhörten und anschließend auf einem Müllplatz exekutierten. Im Laufe ihrer einjährigen Mission entdeckten die Experten jedoch zahlreiche Ungereimtheiten, zum Beispiel fehlte ein Motiv für das Massaker. Die Staatsanwaltschaft ging von einem Racheakt des Bürgermeisters aus, dem die linken Studenten zu kritisch waren. Die Studenten waren in der Tatnacht nach Iguala gekommen, um Busse zu kapern, mit denen sie zu einer Kundgebung in die Hauptstadt fahren wollten.

Die Ermittler entdeckten, dass einer der gekaperten Busse aus den Ermittlungsakten verschwand und nicht sichergestellt wurde. In diesem Bus sei womöglich Heroin transportiert worden, und die Studenten seien so unwissentlich in die Fänge der Drogenmafia geraten. Die Nationale Menschenrechtskommission untersucht außerdem eine Zeugenaussage, wonach eine Gruppe der Studenten von Bundespolizisten abgefangen und in den Nachbarort Huitzuco gebracht wurde.

Iguala liegt inmitten des wichtigsten Schlafmohnanbaugebiets Mexikos. In das Geschäft sind nicht nur Kartelle verwickelt, sondern auch Sicherheitskräfte und Politiker. Die Arbeit der Experten hatte nicht nur die Streitkräfte und die Regierung verärgert, sondern auch rechtskonservative Kreise, die in den vergangenen Wochen eine Schmutzkampagne starteten und über ihre Medien die Kompetenz und Integrität der Experten infrage stellten. (Sandra Weiss, 25.4.2016)