Ab sofort ist Schluss mit lustig: Van der Bellens Anhänger schlachten bis 22. Mai auch die Schwächen des FPÖ-Kontrahenten Hofer aus.

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Trotz hohen Zuspruchs hat Alexander Van der Bellen seit diesem Wahlsonntag nicht nur ein Problem. Sein größtes: Der frühere Obergrüne braucht rund 600.000 zusätzliche Stimmen im Land, um den riesigen Vorsprung seines blauen Kontrahenten Norbert Hofer wettzumachen. Seine nächsten Sorgen: Der stets abwägende Professor muss nun in kürzester Zeit, nämlich bis 22. Mai, ein aus demografischer Sicht äußerst schwieriges Unterfangen meistern, damit er eine Chance hat, als Bundespräsident in die Hofburg einzuziehen. Ab sofort sollte er vor allem junge Männer und betagte Pensionisten, Niedrigqualifizierte und Nichtwähler sowie auch noch die lieben Leute vom Land besonders ansprechen – und hier hatte der 72-Jährige stets ein Manko.

Rote Überläufer

Denn auch wenn seine Anhänger am Montag von Van der Bellens mehr als 20-Prozent-Wahlerfolg und dem mit Abstand besten jemals erzielten Ergebnis für einen Grünen schwelgen: "In der Stichwahl zu gewinnen, ist für ihn nicht unmöglich, aber doch sehr schwierig", gibt der Politologe Peter Filzmaier zu bedenken.

Formal ist Van der Bellen zwar als unabhängiger Kandidat ins Rennen gegangen, doch in seinem bisherigen Wahlkampf wurde er von der Partei finanziell wie personell kräftig unterstützt. Deswegen kann er nicht automatisch mit den Stimmen seiner bereits gescheiterten Mitbewerber rechnen. Zwar werden nach den Bekenntnissen einiger SPÖ-Granden von Kanzler Werner Faymann abwärts wohl viele Wähler von Rudolf Hundstorfer zu ihm überlaufen – aber das war's auch schon. Wer bei Andreas Khol (ÖVP), Ex-OGH-Richterin Irmgard Griss oder Baulöwe Richard Lugner sein Kreuz gemacht hat, ist seit dem 24. April noch lange kein Fan von VdB.

Dirty Campaigning gefragt

Filzmaier rät daher: "Van der Bellen braucht nun neue Akzente im Wahlkampf – oder er muss sich auf Fehler von Norbert Hofer konzentrieren, damit er eine neue Dynamik erzeugt."

Der Grüne Peter Pilz geht auch schon auf Frontalkurs mit dem Widersacher von der FPÖ – freilich nicht ohne vorher Van der Bellens Ankündigung am Wahlabend zu loben, sich der rund 500.000 Arbeitslosen hierzulande annehmen zu wollen. Pilz: "Sascha weiß als Volkswirtschafter, wie das gehen kann. Für Hofer aber bedeutet Wirtschaft bloß Gastwirtschaft." Dazu gelte es nun dafür zu sorgen, dass Österreich nicht Ungarn wird, denn: "Bei einer Orbanisierung der heimischen Politik mit Hofer in der Hofburg und womöglich bald Strache gegenüber im Kanzleramt, kann man nur sagen: ,Gute Nacht!'"

Der Grüne Harald Walser warnt wiederum, sich zu sehr auf andere Zielgruppen zu konzentrieren. "Die Meinungsforscher liefern einen Flop nach dem anderen. Dann sollen wir ihren Analysen trauen?", fragt er. Jetzt gehe es um eine Grundsatzentscheidung, wohin sich die Republik entwickle: "Ich will demnächst nicht in Ungarn oder Polen aufwachen." (Peter Mayr, Nina Weißensteiner, 26.4.2016)