Erwin Pröll über Werner Faymann: "Er ist der Meister des Verdrängens, des Verschleppens und des Wegduckens."

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STANDARD: Auch Niederösterreich hat am Sonntag blau gewählt, über dem Schnitt sogar. Was ist passiert? Zählt Ihr Wort im eigenen Land nicht mehr?

Pröll: Ich warne vor falschen Rückschlüssen. Das war eine Persönlichkeitswahl. Sollte in zwei Wochen wieder eine Wahl stattfinden, eine Landtagswahl in Niederösterreich etwa, dann würde die ganz anders ausgehen. Das Wahlergebnis vom Sonntag ist ein Zeichen der demokratischen Reife. Norbert Hofer hat sich als Persönlichkeit präsentiert, die auf Widerhall gestoßen ist, er hat einen guten Wahlkampf geführt.

STANDARD: Können Sie Norbert Hofer etwas abgewinnen?

Pröll: Das ist nicht die Frage, ob ich ihm etwas abgewinnen kann. Das war eine Frage der Wahlkampfführung. Hofer hat deutlicher überzeugt als die anderen Kandidaten.

STANDARD: Das heißt, dass Ihr Kandidat Andreas Khol nicht überzeugen konnte und die Partei keinen guten Wahlkampf geführt hat?

Pröll: Khol hat einen ausgezeichneten Wahlkampf geführt, allerdings ist das eingetreten, was die Meinungsmache zuvor angekündigt hat. Aber der Kandidat war gut. Khol war sehr offensiv, er ist den Wahlkampf sehr beherzt angegangen. Aber gegen den Strom zu schwimmen ist eben schwer.

STANDARD: Suchen Sie die Schuld auch bei sich? Sie haben der Partei sehr spät abgesagt. Khol war zweite Wahl. Und die Regierungsumbildung in Wien, die Sie in den Wahlkampf von Khol hinein angeordnet haben, war auch nicht hilfreich für den ÖVP-Kandidaten.

Pröll: Das hat damit nichts zu tun. Tappen Sie hier nicht in eine Falle. Hofer hat seine Kandidatur drei Wochen nach Khol bekanntgegeben. Und auch er war die zweite Wahl (nach Ursula Stenzel, Anm.). Die Umbildung in Wien hat überhaupt keinen Einfluss auf den Wahlkampf gehabt. Im Übrigen kann ich Ihnen sagen, dass Khol in Niederösterreich das beste Ergebnis eingefahren hat, er hat 30 Prozent seiner Stimmen gesamt aus Niederösterreich bekommen.

STANDARD: Was sagt dieses Wahlergebnis über die Regierung aus?

Pröll: Dieses Ergebnis muss einem wirklich Sorgen machen, das ist gar keine Frage. Daraus ziehe ich einen ganz klaren Schluss: Herr Faymann ist der fleißigste Arbeiter im Weinberg des Herrn Strache. Was macht denn Herr Faymann? Das ist das wirkliche Problem: Er ist der Meister des Verdrängens, des Verschleppens, des Verzögerns und des Wegduckens. Faymann ist das Hauptproblem in der Regierung. So kann das mit Sicherheit nicht weitergehen.

STANDARD: Und bei der ÖVP sehen Sie überhaupt kein Problem? Sie ist auch Teil dieser Regierung.

Pröll: Der Bundeskanzler gibt in der Regierung den Ton an. Das ist leider so. Und das bringt uns so nicht weiter. Die ÖVP muss daraus die Konsequenzen ziehen. Sie muss Tempo machen, auf Veränderungen und Lösungen drängen. So wie das in der Debatte über die Flüchtlinge der Fall war. Da hat die ÖVP auf einen Kurswechsel gedrängt. Die ÖVP hat die Linie vorgegeben, Faymann hat viel zu lange gebraucht, bis er eingeschwenkt ist. Da sieht man: Pointierte Diskussion heißt noch lange nicht streiten. Die ÖVP muss mehr Druck auf den Kanzler ausüben. Wir müssen auch wegkommen von der Neiddebatte, wie sie die SPÖ führt. Wir müssen endlich eine Leistungsdebatte führen. Es kann nicht sein, dass die einen arbeiten und die anderen ihr Geld aus dem Sozialtopf beziehen. Nur Leistung ermöglicht soziale Hilfe für jene, die sie brauchen.

STANDARD: Sie spielen damit auf die Mindestsicherung an. Sollen die Leistungen gekürzt werden?

Pröll: Es geht nicht, immer nur Nein zu sagen, wie die SPÖ das tut. Wir müssen uns dieser Debatte stellen, das betrifft auch die Mindestsicherung. Das andere ist zum Beispiel die Registrierkassenpflicht. Wir müssen hier zu einer Änderung kommen. Die Grenze für den Jahresumsatz, der eine Registrierkasse notwendig macht, muss von 15.000 auf 30.000 Euro erhöht werden. Die SPÖ sagt dazu aus ideologischen Gründen Nein, so kann das aber nicht gehen.

STANDARD: Die Registrierkassenpflicht ist doch nur ein Randthema in der Regierung.

Pröll: Die ÖVP muss ihre Diskussionen mit der SPÖ stärker und schärfer in der Öffentlichkeit führen, sie muss die Unterschiede klarmachen, sie muss den Druck aufs Tempo erhöhen. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, wie sich der Kanzler vor den Problemen wegdrückt. Nach so vielen verlorenen Wahlen muss sich der Kanzler die Frage stellen, ob er noch die richtige Person auf diesem Posten ist.

STANDARD: Und Mitterlehner ist er der Richtige auf seinem Posten?

Pröll: Ja.

STANDARD: Gilt das nur für heute oder auch für die nächsten Wochen? Soll er die ÖVP tatsächlich in die nächste Wahl führen?

Pröll: Wenn es seine Gesundheit zulässt, kann er das die nächsten Jahrzehnte machen.

STANDARD: Sie gelten als besonderer Freund von Sebstian Kurz. Sollte nicht Kurz anstelle von Mitterlehner die Partei übernehmen?

Pröll: Sebastian Kurz ist ein ausgezeichneter Politiker, ein besonders Talent. Ich schätze ihn sehr. Ein Ja zu Mitterlehner ist kein Nein zu Sebastian Kurz. (Michael Völker, 26.4.2016)