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"Serbien ist ein intransparentes Land", Regierungschef Vučić ideologisch kaum einzuordnen. "Derzeit ist er prowestlich gestimmt und schwärmt von Deutschland und Kanzlerin Angela Merkel", sagt STANDARD-Korrespondent Andrej Ivanji.

Foto: REUTERS/Marko Djurica

Serbiens Regierungschef Aleksandar Vučić ist am Sonntag siegreich aus den vorgezogenen Parlamentswahlen hervorgegangen. Seine Partei, die rechtskonservative Serbische Fortschrittspartei (SNS), erreichte die absolute Mehrheit im Parlament. Besser als die politische Konkurrenz konnte sich Vučić als Hoffnungsträger verkaufen, sagt Andrej Ivanji. Der STANDARD-Korrespondent in Belgrad beantwortet Fragen der Userinnen und User zur politischen Ausrichtung der SNS, Wirtschaftsreformen und Medienfreiheit in Serbien sowie zum antiwestlichen Bündnis DSS-Dveri und dessen Position zu Vojislav Šešelj.

Poster je-ne-sais-quoi fragt:

Andrej Ivanji: Es stimmt, dass der Unmut immer größer wird, aber Vučić schafft es geschickt, diesen gegen seine Gegner zu richten. Seine Partei kontrolliert fast alle Massenmedien und die meisten regionalen Medien, kritische Stimmen kommen kaum durch. Obwohl er schon seit vier Jahren fast uneingeschränkte Macht hat, wiederholt er wie ein Mantra, dass vorherige Regierungen für die ganze wirtschaftliche und soziale Misere verantwortlich seien, und das kommt anscheinend immer noch an. Das zeigten auch Meinungsumfragen, die ihn zu vorgezogenen Wahlen ermutigten. Wesentlich besser als die politische Konkurrenz kann sich Vučić als ein Hoffnungsträger verkaufen.

Außerdem ist die Opposition am Boden, man sah es ja an den Wahlergebnissen: Ausgenommen die extrem-nationalistische Serbische Radikale Partei (SRS), die mit Vojislav Šešelj an der Spitze ein Comeback ins Parlament feierte, mussten alle anderen Oppositionsparteien bangen, ob sie überhaupt die Fünfprozenthürde überspringen.

Was Medienfreiheit angeht: Die meisten Menschen interessiert ihr Lebensstandard viel mehr.

Ivanji: Nein. Serbien ist ein intransparentes Land. Obwohl man laut Gesetz auf Anfrage Einsicht in alle staatlichen Geschäfte bekommen sollte, werden bis heute so substanzielle Abkommen wie zum Beispiel jenes über den Verkauf der serbischen Fluggesellschaft JAT oder jenes über das Projekt "Belgrade Waterfront" geheim gehalten. Ab und zu sickert etwas in den Medien durch, aber das ist schon alles.

Poster marchello möchte wissen:

Ivanji: Von den ab Sonntag parlamentarischen Parteien: Demokratische Partei (DS), SDS-LDP-LSV, "Es ist genug", Bund der Ungarn der Vojvodina.

Ein anderer Poster interessiert sich für die politische Ausrichtung der SNS:

Ivanji: Vučić ist ein autoritärer Politiker, der wenig Sinn für Meinungsvielfalt und demokratische Umgangsformen zeigt. Andererseits gilt er als ein zuverlässiger Partner des Westens. Wenn Vučić Medien unterdrückt oder brutal mit politischer Konkurrenz abrechnet oder Vetternwirtschaft betreibt, drückt man in Wien, Berlin und Washington beide Augen zu. Solange er friedliche regionale Politik betreibt, eine EU-Mitgliedschaft anstrebt und mit der Nato und dem Internationalen Währungsfonds zusammenarbeitet, darf er sich innenpolitisch so einiges leisten.

Man kann Vučić seit seiner Wende vom Ultranationalisten zu einem proeuropäischen Politiker ideologisch nicht einordnen: Er wird tun, was er glaubt, tun zu müssen, um an der Macht zu bleiben. Derzeit ist er prowestlich gestimmt und schwärmt von Deutschland und Kanzlerin Angela Merkel.

Poster ##V+## hat eine Frage zur Republika Srpska:

Ivanji: Nein, das wird er nicht. Er hat aus den Fehlern von Slobodan Milošević gelernt: Man kann in Serbien nicht an der Macht bleiben, wenn man nicht mit den USA und der EU zusammenarbeitet. Also wird er sich für ein einheitliches Bosnien und Herzegowina einsetzen.

Poster itschy mit einer Frage zum Dveri-Bündnis:

Ivanji: Das sind ideologisch ähnliche Parteien: nationalistisch, antiwestlich, prorussisch, betrachten die meisten wegen Kriegsverbrechen angeklagten Serben als Helden, kämpfen gegen Lesben- und Schwulenrechte, werfen Vučić Verrat vor, weil er sich auf Verhandlungen mit dem Kosovo eingelassen hat. Dveri steht allerdings der Serbischen orthodoxen Kirche viel näher, besteht viel mehr auf christlichen, "familiären Werten".

Für Dveri ist Šešelj ein veralteter Politiker, der keine vornehmen Umgangsformen vorweisen kann, ein Relikt der 1990er-Jahre, einer, der sich oft wie ein Hampelmann benimmt. Sich selbst betrachten Dveri-Sympathisanten als vornehme Nationalisten und Christen.

Eine weitere Frage zur Partei "Dveri" aus dem Forum:

Ivanji: Ein Teil dieser Frage ist oben beantwortet worden. Die DSS ist eine national-konservative, bürgerliche Partei. Sagen wir, dass Dveri, die noch unerfahren auf der großen politischen Bühne ist, "nationalistischer" ist. Dass sie zusammenpassen, zeigt auch, dass es das Bündnis ins Parlament geschafft hat, wenn auch sehr knapp. (luh, sb, 27.4.2016)