Auch eine Frage des Geldes – und der sozialen Absicherung: Protestaktion gegen die Asylnovelle Mitte April.

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Wien – Für dezidierte Vertreter einer die Rechte von Flüchtlingen hochhaltenden Politik ist das Ergebnis des ersten Durchgangs der Präsidentschaftswahl frustrierend. Denn das 35,05-Prozent-Ergebnis für den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer wird vielfach mit dem Anti-Asylwerber-Kurs der Freiheitlichen erklärt.

Das Flüchtlingsthema sei in Österreich Aufreger Nummer eins – und der FPÖ komme hier eindeutige Themenführerschaft zu, heißt es. Für den Triumph Hofers, der fast 14 Prozentpunkte mehr erreichte als sein Stichwahl-Herausforder Alexander Van der Bellen (Grüne), der auf 21,34 Prozent kam, sei das eine der wichtigsten Ursachen.

Verantwortung der Regierung

Diese Sicht der Dinge lässt der Menschenrechtsexperte der Universität Wien und ehemalige UN-Sonderberichterstatter über Folter, Manfred Nowak, nicht gelten. Auf diese Art werde die Verantwortung der Regierung für die vielfach der Asylfrage geschuldete Zuwendung vieler Wähler zur FPÖ unter den Teppich gekehrt.

"Vergangenen Herbst, als tausende Flüchtlinge nach Österreich kamen, arbeiteten alle relevanten Kräfte zusammen: Regierung, Hilfsorganisationen, ÖBB, Zivilgesellschaft. Und es gab eine Kooperation mit Deutschland", sagt Nowak. "Hätte die Regierung diese Linie beibehalten, bin ich überzeugt, sie hätte profitiert." Nicht, dass die FPÖ dann beträchtlich weniger Zuspruch erhalten hätte: "Aber SPÖ und ÖVP wären nicht in diesem Ausmaß abgestraft worden." Der "fatale Fehler" von Rot und Schwarz habe in der Annäherung an und der Übernahme von freiheitlichen Antiflüchtlingspositionen bestanden und in der Entscheidung für nationale Alleingänge "à la Ungarn und Polen".

Statt die "guten Beziehungen zu den mittel- und südostosteuropäischen Staaten" zu nutzen, um eine Balkankonferenz einzuberufen, an deren Ende das Schließen der Westbalkanroute stand, hätte die österreichische Regierung "alle Kräfte sammeln müssen, um sich in dieser Region für eine gesamteuropäische Lösung der Flüchtlingsfrage einzusetzen", meint Nowak. "Dann hätte diese Regierung etwas vorzuweisen gehabt".

Asylpolitische Versäumnisse

Die asylpolitischen Versäumnisse von Rot-Schwarz datierten schon von länger her, meint die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun. "Das Problem ist, dass ÖVP und SPÖ seit vielen Jahren FPÖ-Forderungen in Flüchtlingsfragen übernehmen", sagt sie. "Hätte die Regierung nur die halbe Kraft, die sie für Abschottungsmaßnahmen aufgebracht hat, in Sich-Einsetzen für eine EU-weite Lösung der Asylfrage investiert, wären Österreich und die EU beachtlich weiter."

Herr: SPÖ hat Arbeitslosen nichts zu bieten

Der große Wählerzuspruch für Hofer habe viel mit schwarzen Flecken im SPÖ-Programm zu tun, sagt wiederum Julia Herr, Vorsitzende der Sozialistischen Jugend. Dass die Flüchtlingsfrage derart in den Mittelpunkt gerückt sei, hänge unter anderem damit zusammen, dass "die SPÖ als Partei der Lohnabhängigen keinerlei soziale Perspektiven mehr aufzeigt".

Dass "öfter über Kriegsflüchtlinge als über Steuerflüchtlinge gesprochen" worden sei, obwohl Letztere finanziell eine weit größere Belastung darstellen, sei ein Symptom dieser extremen Schieflage, sagt Herr. Die SPÖ habe "den 400.000 Arbeitslosen in Österreich nichts mehr vorzuschlagen", was Abhilfe schaffen könne. "Wer keinen Job, kein Einkommen, keine Zukunftserwartungen hat, ist verständlicherweise verängstigt." Das sei ein Einfallstor für "geschürte Ängste vor Flüchtlingen", etwa durch die FPÖ, sagt Herr. Ihrer eigenen Partei empfiehlt sie eine grundlegenden inhaltliche Runderneuerung. (Irene Brickner, 27.4.2016)