Antoine Deltour (links) soll laut Anklage am 13. Oktober 2010 innerhalb weniger Minuten 2.669 Dokumente mit 45.000 Seiten von einem PwC-Rechner gestohlen haben. Ihm drohen fünf Jahre Haft.

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Luxemburg/Wien – Das am Vormittag am Bezirksgericht in Luxemburg eröffnete Strafverfahren gegen Antoine Deltour gilt als politisch brisant. Denn in dem Prozess wird es nicht nur darum gehen, die Schuld oder Unschuld des früheren Bilanzprüfers bei PwC festzustellen.

Deltour und seine Verteidiger haben angekündigt, die Rolle Luxemburgs in dem bis zum 4. Mai angesetzten Verfahren als eine europäische Steueroase thematisieren zu wollen. Hinzu kommt, dass das Verfahren zu einer Belastungsprobe für die Beziehungen zwischen Frankreich und Luxemburg werden kann.

Ausgebildeter Bilanzbuchhalter

Der 30-jährige Deltour ist französischer Staatsbürger, der nach seiner Ausbildung zum Bilanzbuchhalter einen Job bei PwC in Luxemburg angenommen hatte. Im Oktober 2010 lud er tausende Dokumente von seinem Arbeitsrechner herunter. Mithilfe des Materials ließ sich belegen, wie 350 multinationale Konzerne über Jahre hinweg für dutzende Milliarden Euro an Gewinnen so gut wie keine Steuern zahlten.

Die Luxemburger Steuerbehörde hatte Unternehmen massenhaft Vorsteuerbescheide ("tax rulings") ausgestellt. Mit diesen Bescheiden wurden Firmenkonstruktionen genehmigt, die den Unternehmen dabei halfen, Steuern und Abgaben zu sparen.

Legale Vorgänge

Die Vorgänge waren, soweit heute bekannt ist, legal. Die aggressiven Steuersparmodelle werden von Kritikern aber als moralisch verwerflich eingestuft, weil durch die Praktiken in Luxemburg anderen Ländern Einnahmen im großen Stil entgehen. Neben Pepsi tauchten auch die Namen von Konzernen wie Vodafone, Deutsche Bank, Disney, Weight Watchers und Eon in den PwC-Papieren auf.

Die Staatsanwaltschaft wirft Deltour Diebstahl, Verletzung des Betriebs- und Berufsgeheimnisses, Einbruch in ein Informatiksystem sowie Geldwäsche vor. Deltour hat für die Weitergabe der Dokumente nie Geld genommen. Doch in Luxemburg fällt die Nutzung gestohlener Daten unter den Geldwäscheparagrafen. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft und 1,25 Millionen Euro Strafe.

Zunächst kein Aufsehen

Der Bilanzprüfer hatte die gestohlenen Daten zunächst dem französischen Aufdeckerjournalisten Edouard Perrin vom TV-Sender France 2 übergeben. Der Sender strahlte bereits 2012 eine Dokumentation über die Vorgänge aus. Der Fall blieb medial allerdings zunächst weitgehend unbeachtet. Nichtsdestotrotz wird in Luxemburg neben Deltour auch Perrin der Prozess gemacht. Weil damit ein in Frankreich prominenter Journalist auf der Anklagebank sitzt, wird der Fall in Frankreich besonders genau verfolgt. Neben den beiden wird das Verfahren auch gegen einen Exkollegen Deltours bei PwC namens Raphael H. geführt. Über ihn ist wenig bekannt, er nennt bisher seinen Namen nicht. H. soll jedoch ebenfalls Daten bei PwC entwendet haben.

Zu den Zeugen am ersten Tag gehörte laut Tageszeitung Luxemburger Wort Anita Bouvy von der internen Auditabteilung von PwC. Bei der Befragung versuchten die Richter festzustellen, wie leicht der Zugang zu den gestohlenen Daten war. Bouvy soll angegeben haben, dass die Daten leicht zugänglich waren. Deltour selbst bestreitet nicht, die Daten – laut Anklage Dokumente im Umfang von 45.000 Seiten – gestohlen zu haben. Er argumentiert allerdings damit, moralisch richtig gehandelt zu haben, weil die Praktiken in Luxemburg öffentlich gemacht und diskutiert gehörten. (András Szigetvari, 27.4.2016)