Wien – Mit einer Überraschung hat am Mittwoch das Telekom-Verfahren begonnen, in dem es um den Vorwurf der Finanzierung der Grazer ÖVP geht. Unter den sechs Angeklagten ist ÖVP-Nationalratsabgeordneter und ÖVP-Graz-Geschäftsführer Bernd Schönegger. Die Telekom Austria (TA) soll – per Scheinrechnung der Agentur CB Consult an die TA-Tochter Etel – 120.000 Euro an die ÖVP Graz geschleust haben, für den Gemeinderatswahlkampf 2008. Leistung gab es keine, der Vorwurf lautet daher auf Untreue bzw. Beitrag dazu. Fünf Angeklagte bekannten sich "nicht schuldig".

Für den Paukenschlag gleich zu Beginn der Verhandlung im Wiener "Landl" sorgte die angeklagte Agenturchefin, die eine Diversion anstrebt. Sie bekannte sich schuldig. Und belastete die Bundes-ÖVP bzw. entlastete die ÖVP Graz. Denn, so schilderte die 44-jährige Grazerin, die immer wieder in Tränen ausbrach, das Geld sei der Bundes-ÖVP zugutegekommen. Für die habe sie gearbeitet, aber die Bezahlung habe die Etel übernommen. "Der Falsche hat bezahlt", sagte sie und rückte bei den Erörterungen zu Vertrag und Rechnungstext an Etel immer wieder zurecht, dass es sich um eine "Scheinrechung" gehandelt habe.

Schieszler als Einfädler

Die Marktforscherin (sie hat ab 2002 für die ÖVP gearbeitet; ihre Agentur ist seit Herbst insolvent) bestätigte die Anklage "zu 90 Prozent" und schilderte die Ereignisse so: Ende 2007 habe sich TA-Finanzchef Gernot Schieszler (heute Kronzeuge) bei ihr gemeldet, sich auf eine Abmachung mit der Bundes-ÖVP berufen und ihr einen Auftrag über 100.000 Euro offeriert. Sie habe ihr Angebot an Schieszler übermittelt, der habe ihr angekündigt, dass sich "jemand aus der Bundespartei" bei ihr melden werde.

Als das nicht geschehen sei, habe sie sich an einen Wirtschaftsprüfer von der BDO gewendet, mit dem sie bei ihren ÖVP-Aufträgen immer wieder zu tun gehabt habe (er ist inzwischen gestorben). Wieder etwas später habe sie über ihn und einen ÖVP-Mitarbeiter einen Auftrag erhalten: bundesweite Meinungsumfragen für die ÖVP

Server gelöscht

An den Namen des ÖVP-Mitarbeiters erinnerte sie sich aber nicht, und mit Unterlagen zur Meinungsforschung konnte sie auf Frage von Staatsanwalt Volkert Sackmann auch nicht dienen. Der Masseverwalter habe den Agenturserver gelöscht und verkauft.

Gearbeitet habe sie dann aber auch für die Etel, schilderte die Angeklagte. Denn 2008 habe ihr der Wirtschaftsprüfer eröffnet, dass es dort eine Betriebsprüfung gebe. Um die Rechtmäßigkeit der erhaltenen Zahlung zu belegen, habe sie ein Markenkonzept erstellt. Dessen Qualität zweifelte Richter Stefan Erdi an ("Unterstufen-Niveau"), sie konterte: "Es ging ja um theoretische Arbeit."

Schönegger belastet

ÖVP-Mandatar Schönegger wird durch eine Mail belastet, die ihm TA-Manager Michael Fischer (ehedem ÖVP-Direktor) gesendet haben will und in der der Rechnungstext ("Markenarchitektur der Etel") genannt wurde. Schönegger beteuerte, dass er diese Mail nie bekommen habe. Fischer wiederum beteuerte, sich als "weisungsgebundener Angestellter" bei der Textierung der Mail an die Vorgabe von Finanzvorstand Schieszler gehalten zu haben.

Auch er untermauerte die Darstellung in der Anklage, dass das Geld nach Graz geflossen sei. Er habe sich "gewundert, dass das Sponsoring" nicht für die Bundes-ÖVP sei. Aber irgendwann habe ihn die Information erreicht, das Geld sei für Graz gedacht. Von wem die Info kam? "Das weiß ich nicht", so Fischer. Die Verhandlung geht am Donnerstag weiter. (Renate Graber, 27.4.2016)