In Schreibtrainings sollen der wissenschaftliche Gebrauch von Sprache und der Umgang mit Lektüre gelernt werden.

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Wien – Egal, ob Schule oder Uni, um Wissen erwerben zu können, sind ausreichende Sprachkenntnisse eine zentrale Voraussetzung. Mit über 25 Prozent gibt es an österreichischen Unis einen sehr großen Anteil an ausländischen Studierenden. Für viele von ihnen wie auch für einige österreichische Staatsbürger ist Deutsch nicht die Muttersprache – genaue Zahlen gibt es diesbezüglich nicht. Doch während an Schulen die Lehrkräfte darauf geschult werden, mit dieser Diversität umzugehen, gibt es an der Uni noch weniger Bewusstsein dafür, dass wissenschaftliches Schreiben für Studierende, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, eine besondere Herausforderung ist.

Doppelter Spracherwerb

Diese Gruppe ist mit einem zweifachen Spracherwerb konfrontiert, sagt Inci Dirim, Professorin für Deutsch als Zweitsprache an der Universität Wien: Wie alle anderen Studienanfänger müssen sie sich eine akademische Fachsprache aneignen und zusätzlich die Amtssprache des Studienortes. Sie seien daher besonders gefährdet, die Abschlussarbeit hinauszuschieben oder ihr Studium abzubrechen. "Es gibt eine Forschungslücke bei sprachbezogener Benachteiligung", sagt Dirim.

Einige Unis haben Initiativen geschaffen, die der Vermittlung wissenschaftlichen Schreibens dienen – manche richten sich speziell an Studierende, deren Muttersprache nicht Deutsch ist: von der Langen Nacht der aufgeschobenen Seminararbeiten am Schreibzentrum der Uni Graz, der Studienabschlussgruppe des Schreibcenters der Uni Klagenfurt bis zu Mentorenprogrammen. "Die Zeiten, in denen man entweder schreiben konnte oder nicht, sind glücklicherweise vorbei", sagt Michal Dvorecky. Er forscht zur Wissenschaftssprache Deutsch im Fachbereich Deutsch als Zweitsprache an der Uni Wien.

Ghostwriter wittern Geschäft

Zusammen mit Eva Kuntschner betreut Dvorecky 39 Schreibmentoren, die anderen Studierenden an 27 Instituten helfen. Das Programm ist kostenlos. Die Studierenden erlernen hier Schreibtechniken und den Umgang mit Literatur. Zudem erhalten sie Feedback zu ihren Texten. "Schreiben muss nicht einsam und leidvoll sein", sagt Kuntschner.

Auch der private Markt hat den Bedarf erkannt. Ausschreibungen von Ghostwritern in Online-Foren oder Aushänge in Unigebäuden richten sich mitunter direkt an ausländische Studierende. Den Vorwurf, Studierende mit Deutschproblemen würden sich vermehrt an Ghostwriter wenden, kennt Dirim, allerdings ließen sich diesbezüglich nur schwer Daten erheben, und so gebe es keine verlässlichen Zahlen.

Unterstützung im Schreibseminar

Wer für den Schreibprozess Unterstützung sucht, kann auf Schreibseminare zurückgreifen. Die Lehre vom wissenschaftlichen Schreiben sei von den Universitäten im deutschsprachigen Raum zu lange vernachlässigt worden, sagt Judith Wolfsberger, Gründerin des writers' studio in Wien. Wolfsberger habe als Erste in Österreich Schreibseminare speziell für die Anforderungen von Studierenden angeboten. Nun bietet das writer's studio auch Kurse für internationale Studierende an. Für den Workshop an acht Tagen zahlen sie allerdings bis zu 499 Euro. Finanzielle Unterstützung gibt es dafür nicht.

"Das Schreiben als Handwerk zu begreifen ist das Ziel", sagt die Kursleiterin Anna Ladurner. Einerseits studiere man, eigne sich Wissen an, andererseits fehle es an der Sprache, dieses Wissen zu reproduzieren. "Viele Studierende, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, fühlen sich deshalb nicht als vollwertiges Mitglied der wissenschaftlichen Community." (Kristina Nedeljkovic, 29.4.2016)