Die Wiener Stadträtin Sonja Wehsely will keinesfalls einer Deckelung der Mindestsicherung zustimmen. In der ÖVP gibt es noch immer Vertreter, die von dieser Forderung nicht abrücken wollen

Wien – Die Zahl der Mindestsicherungsbezieher hat in Wien im Vorjahr wie erwartet einen neuen Rekordwert erreicht. Exakt 180.646 Menschen (plus 12,8 Prozent) waren laut einer am Mittwoch von Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) veröffentlichten Statistik auf diese Sozialleistung angewiesen.

Vor dem Hintergrund der Flüchtlingsdiskussion wurde auch aufgeschlüsselt, wie sich die Zahl der Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten in der Mindestsicherung entwickelt hat. Insgesamt handelte es sich bei 17,4 Prozent der Bezieher um Flüchtlinge – 25.730 waren Asylberechtigte, 5.775 subsidiär Schutzberechtigte. Für beide Gruppen zusammengefasst bedeutet das einen Anstieg um 44,3 Prozent gegenüber dem Jahr 2014. Da viele im Vorjahr eingeleitete Asylverfahren noch nicht beendet wurden, ist heuer mit einem weiteren Anstieg zu rechnen.

Im Schnitt 311 Euro pro Person

Laut dem Wehsely-Büro lag die durchschnittliche Bezugshöhe pro Person im Vorjahr bei 311 Euro monatlich, pro Bezieherhaushalt waren es im Schnitt 557,05 Euro. Wie passt das mit den Mindestsätzen zusammen (für Alleinstehende gibt es aktuell 837,76 Euro, für Paare 1.256 Euro)?

77,4 Prozent der Betroffenen sind sogenannte Ergänzungsleistungsbezieher. Sie leben also nicht ausschließlich von der Mindestsicherung, sondern haben ein geringes Erwerbseinkommen, beziehen Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder haben andere Einkunftarten, die nicht ausreichen, um über die Runden zu kommen.

Detaillierte Daten von allen Bundesländern gibt es für das Vorjahr noch nicht, in der Bundeshauptstadt ist aber traditionell mehr als die Hälfte aller Mindestsicherungsbezieher beheimatet. Wie der STANDARD zuletzt berichtete, sind die Gesamtkosten aller neun Länder im Vorjahr um knapp 16 Prozent auf knapp 870 Millionen Euro gestiegen.

Schwierige Verhandlungen

Auf politischer Ebene wird gerade über einen neuen Bund-Länder-Vertrag zur Mindestsicherung verhandelt. Die meisten Länder wären sich mit Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) weitgehend einig. Allerdings gibt es von der Bundes-ÖVP noch immer den Wunsch nach einer Deckelung der Mindestsicherung bei 1.500 Euro. Diese Grenze kann derzeit bei mehr als zwei Kindern überschritten werden.

Stöger schlug zuletzt als Alternative vor, die Kinderzuschläge ab dem siebenten Kind zu senken. Für Lopatka und ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger reicht das nicht, sie sprechen von einem "finanziellen Placebo". Auch vom ÖVP-Wunsch nach einer reduzierten Mindestsicherung für Asylberechtigte findet sich in den Stöger-Vorschlägen nichts.

Rote und grüne Soziallandesräte

Was das Ganze noch komplizierter macht: Die Soziallandesräte werden fast durchwegs von SPÖ und Grünen gestellt, die ÖVP ist nur mit Niederösterreichs Landesrätin Barbara Schwarz vertreten. In ihrem Büro wollte man sich am Mittwoch noch nicht festlegen, ob man den jüngsten Vorschlägen Stögers zustimmen kann.

Besonders kurios ist die Situation in Oberösterreich. Dort drängt die schwarz-blaue Regierung vehement auf Verschärfungen, die Verhandlungen führt aber SPÖ-Soziallandesrat Reinhold Entholzer, der wegen des Proporzsystems in der Regierung vertreten ist. Inhaltlich sei man aber auf einer Linie mit Lopatka, beteuert der schwarze Landtagsklub in Oberösterreich. Sollte Entholzer also einem Kompromiss zustimmen, der der ÖVP-Linie widerspreche, werde der Bund-Länder-Vertrag nicht von der Landesregierung und vom Landtag angenommen, heißt es.

Vorpreschen

Oberösterreich will auch unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen mit den anderen Ländern das eigene Modell beschließen – und zwar bereits im Juni oder Juli. Dieses sieht wie berichtet vor, dass Asylberechtigte nur 520 Euro (155 Euro davon sind an Integrationsauflagen gebunden) statt der bisher üblichen 914 Euro (Oberösterreich hat höhere Sätze als andere Bundesländer) bekommen sollen. (go, 27.4.2016)