Günter Kreissl möchte als Wiener die Sturm-Familie glücklich machen. Er wurde darum gebeten.

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Graz/Wien – Günter Kreissl möchte "objektiv und sachorientiert" arbeiten. Er hat sich um den Posten des Geschäftsführers Sport bei Sturm Graz nicht beworben, die Initiative ist von Präsident Christian Jauk ausgegangen. Man habe sich ausgetauscht, sei rasch einig geworden. Am 1. Mai tritt der 41-jährige Kreissl den Job offiziell an, zunächst für zwei Jahre. Der Wiener hat überhaupt keine Sturm-Vergangenheit, der Satz "In mir fließt schwarz-weißes Blut" ist daher erstens vom medizinischen Ansatz her schon blöd und zweitens nicht zutreffend. "Ich bin nicht betriebsblind, es gibt keine persönlichen Verbindlichkeiten. Das ist eine gute Voraussetzung."

Kreissl hat sich die vergangenen acht Jahre intensiv mit dem SC Wiener Neustadt beschäftigt. Erst als Tormanntrainer, dann als Manager, Sportdirektor, zuletzt war er auch Cheftrainer. "Mehr Funktionen sind unmöglich. Ich habe alles gemacht, eine gute Schule. Jeden Bus habe ich bestellt, Sponsoren betreut, neue Fußballschuhe organisiert, die Pressearbeit erledigt, mich ums Scouting gekümmert. Und, und, und." Bei Sturm ist er kein Zerrissener. Gerhard Goldbrich, dem die Doppelfunktion über den Kopf gewachsen ist, macht nur mehr den Wirtschaftsvorstand. Kreissl: "Es ist gut, Aufgabenbereiche aufzuteilen."

Der neue Sportvorstand arbeitet sich bereits ein. Man könnte die Situation beim Tabellenvierten als nicht gerade rosig beschreiben. Die Fans protestieren gegen den Verein, gegen die handelnden Personen. Sie schweigen die Mannschaft samt Trainer Franco Foda an. Kreissl sieht das emotionslos. "Der Frust richtet sich immer gegen die Leute aus der ersten Reihe. Die Situation ist nicht so schlimm und lösbar. Sturm ist Begeisterung, Sturm ist Tradition, Sturm ist Gänsehaut." Nachsatz: "wenn es läuft." Er wolle das "Maximum" erreichen, ohne dies genau zu definieren, "Ich rede nicht über eine konkrete Spielphilosophie, es geht um einen erfolgsorientierten Fußball. Ich sage jetzt sicher nicht, wir wollen Dritter oder Vierter werden." Schlagworte lehnt Kreissl ab, wobei es natürlich notwendig sei, "dass alle an einem Strang ziehen. Es geht darum, die große Sturm-Familie glücklich zu machen."

Kreissl ist Realist. "In Österreich träumt man von der eierlegenden Wollmilchsau. Die gibt es halt nicht." Die besten Kicker zieht es ins Ausland, die Nationalelf setzt sich nahezu ausschließlich aus Legionären zusammen. "Das ist das Los der Liga, der Trend der Zeit." Er wehrt sich gegen den Begriff Ausbildungsverein. Jeder Klub bezeichnet sich als solcher. Ich will aber nicht das Beste für andere Vereine, sondern für Sturm. Dass gute Leute aus finanziellen Gründen gehen, ist logisch und nicht zu verhindern."

Von 2000 bis 2002 hat Kreissl die Sportmanagement-Akademie absolviert und mit Auszeichnung abgeschlossen. Ein Vorbild als Sportdirektor oder Sportvorstand? "Nein. Helmut Schulte hat mir bei Rapid aber getaugt. Er war ruhig, souverän, blickte über den Tellerrand." Fußball sei Teil der Unterhaltungsbranche. "Es ist wie bei einer Musikband. Ist sie gut und berührt sie, kommen die Leute zu den Konzerten. Es ist Drama, Emotion."

Kreissl bastelt am Kader. Gemeinsam mit Foda, "den ich für einen Fachmann halte". Der Spielraum ist begrenzt. Sturm kann nicht mit Millionen um sich werfen, weil die wesentliche Voraussetzung, Millionen zu besitzen, nicht erfüllt ist. "Ein einziger Führungsspieler kann aber mehr bewirken als acht andere. Qualität geht vor Quantität."

Kreissl war Tormann. Bei der Admira, bei der Austria. Ein Klischee besagt, dass Goalies generell einen Klopfer, einen Vogel haben. "Stimmt nicht. Ich habe keinen größeren Vogel als ein zentraler Mittelfeldspieler." Sturm sei eine tolle Herausforderung, "Ich habe eine romantische Ader. Wir müssen hart arbeiten." (Christian Hackl, 28.4.2016)