Auf die Auskunft Einheimischer ist nicht unbedingt Verlass: Tom Hanks steht in Saudi-Arabien auf verlorenem Posten.

Ascot Elite

Wien – Mit den Mitteln des Kinos davon zu erzählen, wie der Kapitalismus funktioniert, ist kompliziert. Ökonomische Gesetzmäßigkeiten und Strukturen lassen sich schlecht verbildlichen, zumindest nicht in der Bildsprache von Filmen, denen es um Geschichten und damit zuallererst um Figuren geht. Von ökonomischen Gesetzmäßigkeiten will der Hollywoodfilm (im weitesten, internationalen Sinne) nichts wissen. Es bleibt das Einzelschicksal, das macht es leichter. Auch Tom Tykwers Verfilmung von Dave Eggers' Roman Ein Hologramm für den König erzählt davon, wie sich die ökonomische Krise mit aller Macht als individuelle manifestiert.

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Hier trifft die Rezession den in seiner umfassenden Normalität liebenswerten Alan Clay; eine Figur, die Tom Hanks die Gelegenheit gibt, seine Paraderolle als personifizierte amerikanische Mittelklasse weiter zu variieren. Die befindet sich zurzeit im Niedergang, und im Falle von Alan ist der Abstieg zu Beginn des Films bereits in Teilen vollzogen. Als leitender Angestellter eines Fahrradproduzenten hat er dazu beigetragen, dass die Produktion nach China outgesourct wird.

Es kommt, wie es in einer weitgehend deregulierten Arbeitswelt kommen muss: Der Betrieb wird weiter verschlankt, auch Alan muss gehen und wechselt zu einer IT-Firma – mit einem Gehalt, das offenbar nicht mehr ausreicht, die Kredite zu bedienen. Auch im Privaten dominiert das Elend: Alan ist geschieden, sein Haus steht zum Verkauf, das Geld für das nächste Collegejahr der Tochter fehlt. Die letzte Hoffnung ist ein anvisierter Deal mit dem saudi-arabischen Königshaus. Alan soll dem König für das tatsächlich existierende megalomanische Bauprojekt "King Abdullah Economic City" ein Kommunikationssystem andrehen; ein Hologramm, also ein Bild aus Luft.

Schnaps und Schmerz

Nach einer kurzen Eröffnungssequenz, in der Tom Tykwer noch einmal zeigt, dass er einer der wenigen deutschen Regisseure ist, die unverhohlenen Spaß an schnellen Schnittfolgen und Videoclipästhetik haben, drosselt der Film das Tempo. Alan wartet mit einem Team wesentlich jüngerer Kollegen in der Wüste vor Dschidda auf die Ankunft des Königs. Seine überwiegend schlaflosen Nächte verbringt er betrunken auf seinem Hotelzimmer.

Tykwers Adaption verwandelt Dave Eggers' tragikomische, am Ende aber ausweglose Geschichte vollends zur Komödie. Tom Hanks spielt diese Unglücksfigur als einen etwas faden Mann auf verlorenem Posten. Stühle krachen unter Alans Hintern zusammen, es gibt einen lustigen saudi-arabischen Sidekick und peinliche Situationen zum lustvollen Fremdschämen. Hin und wieder allerdings öffnet sich, andeutungsweise und nur kurz, der Abgrund; etwa wenn wir sehen, unter welchen Bedingungen die Arbeiter leben, die das Prestigeprojekt des Königs bauen. Oder wenn Alan nachts nach ein paar Gläsern illegalem Schnaps einer golfballgroßen Wucherung auf seinem Rücken mit einem Messer und ohne Narkose zu Leibe rückt.

Bei aller inszenatorischen Routiniertheit hat Ein Hologramm für den König aber ein wenig Angst vor der eigenen Courage. Die Änderungen gegenüber der Romanvorlage wirken gerade im letzten Akt so, als wäre Tykwer der Text von Dave Eggers als allzu ausweglos erschienen. Als Lösung empfiehlt Ein Hologramm für den König wie so viele andere Krisenfilme die individuelle Kraftanstrengung. Diese besteht darin, seine eigenen Potenziale zu erkennen und einen so schmerzhaften wie heilsamen Entwicklungsprozess durchzumachen, an dessen Ende Erkenntnis und Neuanfang stehen. Erstaunlich, wie schlüssig sich auf der Leinwand noch das tristeste Schicksal zu einer erbaulichen Stehaufmännchenerzählung umbauen lässt. (Benjamin Moldenhauer, 28.4.2016)