"An apple a day, keeps the doctor away", sagt ein Sprichwort. Für einen gesunden Lebensstil braucht es aber auch die nötigen Rahmenbedingungen, wie Forscher betonen.

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Wien – Die Zahlen sind alarmierend: 41 Prozent der Österreicher gelten als übergewichtig, elf Prozent als adipös, wie der letzte Ernährungsbericht des Gesundheitsministeriums konstatiert. Die Folgen wiegen ebenfalls schwer, denn Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind seit Jahren die häufigste Todesursache: Im Jahr 2014 waren 42 Prozent aller Sterbefälle auf Bluthochdruck, Herzinsuffizienz, Infarkte oder Schlaganfälle zurückzuführen.

Ähnlich dramatisch wird die Entwicklung von Diabetes Typ 2 eingestuft. "Im Jahr 2050 werden 33 Prozent der Bevölkerung an Diabetes leiden. Wenn wir so weitermachen, sind Diabetiker bald die Mehrzahl der Bevölkerung", warnte kürzlich Helmut Brath von der Wiener Diabetesambulanz. Schuld an der Zunahme von Zivilisationskrankheiten sei vor allem der ungesunde westliche Lebensstil. Der moderne Mensch bewegt sich zu wenig und ernährt sich ungesund. Vor allem zu "süß" und zu fettreich. Die Lösung: die Lebensweise ändern, so die Experten.

Gesunde Politik

Kritik an diesem rein eigenverantwortlichen Ansatz äußert der Wiener Sozialwissenschafter Peter Nowak von der Gesundheit Österreich GmbH: "Wissenschaftlich belegt ist, dass weniger das Verhalten, sondern vielmehr die Verhältnisse die Gesundheit beeinflussen." Demnach sind etwa Bildung, Wohnumfeld, Arbeitsbedingungen, Einkommen, Verkehrssituation, welche Nahrungsmittel zu welchen Preisen angeboten werden und die Qualität der sozialen Beziehungen die relevantesten Faktoren für das menschliche Wohlergehen.

"Gesundheit wird zum größten Teil über die Bildungs-, Verkehrs- und Arbeitspolitik und nicht über das Gesundheitssystem entschieden", sagt Nowak. So zeigte etwa eine Metaanalyse der Brigham Young University Utah, in der die Daten von insgesamt 70 Studien und 3,4 Millionen Probanden ausgewertet wurden, dass Menschen, die in unterstützenden sozialen Beziehungen leben, eine signifikant höhere Lebenserwartung aufweisen als sozial isolierte Personen. Das Fazit der Studienautoren: Das gesellschaftliche Umfeld hat mindestens den gleichen Effekt auf die Gesundheit wie Bewegung, Ernährung und (Nicht-) Rauchen.

Rahmenbedingungen schaffen

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine Cochrane-Übersichtsarbeit zum Thema "Gesunde Schule". So wirken sich Bewegungs- und Rückzugsräume in Schulen, ein gesundes Jausenangebot sowie Lehrpläne, in denen Gesundheit und Ernährung einen fixen Platz haben, nachweislich positiv auf Kinder und Jugendliche aus.

"Es kam zu einer Reduktion des Body-Mass-Index, die Schüler aßen häufiger Gemüse und bewegten sich mehr. Auch der soziale Zusammenhalt wurde gestärkt", fasst Christina Kien vom Department für evidenzbasierte Medizin der Donau-Uni Krems die Ergebnisse zusammen. "Wer die Verhältnisse ändert, beeinflusst auch das Verhalten", so das Resümee. (Günther Brandstetter, 2.5.2016)